Es ist ja noch Wegwartenzeit.
Ich fröstele zwar im kurzen Hemd.
Aber blaue Sterne blühen noch immer.
*ein Achtundzwanziger
Kategorie: Neue Maier-Lyrik (Seite 1 von 19)
Biķernieki
Suche im Internet nach Biķernieki.
Es ist ein Naherholungsgebiet Rigas.
Aber es ist mehr.
Suche nach 1941.
(Das ist mein Geburtsjahr)
Dorthin wurden viele Juden gebracht,
aus mehreren Gebieten Deutschlands.
Dort wurden sie erschossen.
Am Kriegsende „enterdet“.
So kann man heute nicht mehr alle
Leichen dort finden.
Und Letten wissen heute oft fast nichts
darüber.
Und ich wusste gar nichts davon,
als ich 1988 in Riga war.
Das kleine Gespenst gibt sich schlau;
es entschuldigt sich sogar herzlich
bei dem verschreckten Menschen für die Unbill!
*ein Achtundzwanziger
August-Himmel,
Blauer geht‘s kaum.
Und am Boden Wegwarten-Sterne.
Leuchtend wie am Anfang der Saison.
Die kühle Luft sorgt für Frische.
Es sieht so aus wie im August
normalerweise.
Von Klimawechsel keine Spur.
So liebe ich‘s nochmal.
Ach, wenn es doch so bliebe.
Wie dankbar wär‘ der Allerwelts-
Verbraucher, der langsame,
wie ich. Ich will es heute mal
nicht anders haben.
Nun hab ich also das 85. Lebensjahr
mit einem Alter von 84 angefangen.
Was kann es mir noch bringen?
Es hat mir ja schon in den ersten Tagen
eine kurze Reise an den Bodensee gebracht
und einen schönen Tag am Strandbad dort.
Ach, undankbar will ich bestimmt nicht scheinen.
Es wird schon recht, ob Trump erfolgreich wird
oder auch nicht.
.
I c h kann‘s nicht ändern.
Doch will ich (immer noch) tun,
was in meiner Macht wohl steht,
dass Krieg und Waffenlieferungen
ein gutes Ergebnis für die Welt
nicht bringen.
Aber Vernunft, die dennoch siegen muss!
Der Krähenbaum – so stell ich mir ihn vor,
ein Sinnbild unsrer Endlichkeit,
ein unerreichbar großer Schatz,
so flüchtig er auch sei:
und doch zum Denkmal tauglich,
so schnell er auch dann wieder
verschwunden ist.
Da ist er jetzt: der Krähenbaum
Manchmal
komme ich mir vor
wie ein junges Vögelchen,
das noch gefüttert werden muss.
Nein, ich bin kein Nestflüchter,
verließ mein Elternhaus,
weil der Staat es so wollte
und mich als Lehrer versetzte
in entfernte Gegenden.
Aber nein, das ist längst vorbei.
Ich bin ja pensioniert;
aber ja, da lebe ich doch vom Staat,
lasse mich füttern
wie der Vogel einst.
Und doch bin ich längst erwachsen,
habe mir das Gefüttertwerden
(im metaüphorischen Sinn)
längst durch mein Lehrersein
erworben – oder nicht?
Aber manchmal würde
ich mich schon
gerne füttern lassen
anstatt gute Ratschläge zu erteilen.
Denn: was bin ich schon?
Ein Literat, der gute Ratschläge gibt,
die niemand mehr hören will.
Aus welcher Zeit komme ich denn?
Müsste ich mich nicht tatsächlich
füttern lassen (auch im metaphorischen Sinn)
von den Erfahrungen meines Enkels?
Es ist ein bisschen wie Dschungel
in unserem Gärtchen.
Keine Tomaten,
keine Radieschen,
nichts Essbares –
außer dem Giersch
im Frühling,
ein wunderbarer Spinat
sozusagen.
Ach ja, ein paar Kräuter noch,
ein wenig Schnittlauch,
immer noch ein paarmal
der wunderbare Dos(ch)t,
ein bisschen – allerdings kaum
von mir benützt beim Kochen
des Mittagsessens – Brennnesseln,
ein bisschen auch noch für den Tee
ein paar Kräutlein.
Sonst jetzt im Sommer
kaum noch blühende Pflanzen
auf dem Boden;
aber blühende Büsche:
Rosen, gelb und lachsfarben,
Hortensien, allerdins mit Blüten
auf der hausabgelegenen Seite
dieses Jahr.
Dann noch Hibiskus,
jetzt immer mehr,
und noch ein paar Blüten
der Weigelie.
Sonst ist es jetzt
ein Dschungel
(wie gesagt)
aus Haselnuss
(üppig)
und zwei Birken,
(noch üppiger)
und Gehölz an der Grenze,
an der man nach ein paar Schritten ankommt.
Ein Marmeladebrot
zwischen den Zähnen,
aber ich spüre
die Süßigkeit nicht.
Ich höre und sehe
im Tagesschauprogramm
die flüchtende Frau
aus dem Iran,
die hungernden Kinder
in Gaza,
die hilflosen Leute
in der Ukraine.
Und ich höre nichts
von Bedauern, das der
Bundeskanzler für das Leid
der Menschen hätte,
nur dass der Sieg
in der Ukraine
nicht gelingen könnte,
aber nichts über
den israelischen
und den amerikanischen
Angriffskrieg im Iran
und auch nicht über Gaza.
Und ich spüre nicht
die Süße
auf meiner Brotscheibe.
Ein Kuss für meine Liebste,
als sie das Spiel gegen mich
verloren hat.
(Was für eine günstige Gelegenheit!)
Drei neue Blüten im Gärtchen.
Wenigstens drei!
Das ist besser als nichts!
Das Wetter bleibt schön.
Sollte es das?
Ach, was kümmert‘s mich heute!
Und rundherum: Uns geht‘s gut.
Und das soll es!