Lyrisches von Helmut Maier

Schlagwort: Neue Maier-Lyrik (Seite 8 von 165)

Franz Alt

„Dürfen wir Andere krank machen?“
Das fragt Franz Alt.
Und er macht es dringlich!
Das gelte doch wohl in jeder Krise!
Auch beim Autofahren.
Auch beim Fliegen.
Auch bei der Klimakrise.

Warum verschieben wir da
unsere Bequemlichkeiten
und ihre nicht zu vergessenen Folgen,
die das Vielfache doch sind
der Corona-Krise,
auf unsere Kinder,
Enkel und Urenkel?

Und ich frage:
Warum können wir
nicht sofort
wenigstens
Tempo 130
auf Autobahnen
einführen?

Weil es da sofort heißt:
Freie Fahrt für freie Bürger?

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Siehe auch: Franz Alt: Recht auf saubere Luft ”“ Mehr als 600.000 Tote in Europa durch Luftverschmutzung
Transparenz TV | Montag, 07.12.2020 | 20:30 Uhr

Der erste Schnee am ersten Dezembertag

Vorgestern ließ der Ostwind
die Blätter an den Zweigen der Birke
fröhlich im Sonnenschein
beim blauen Himmel im Reihen tanzen.

Heute sind sie wie stumm.
Hängen an den Zweigen wie tot.
(Dabei stirbt doch jedes Blatt
seinen eigenen Tod ganz allein.)

Nein, sie leben noch,
auch wenn’s heute den Schnee gab:
Heute, bei grauem Himmel und Windstille.
Dafür tanzten heute die Schneeflocken,
und sogar heute Nachmittag
immer noch keinen Regen,
der alles als vorübergehend
an uns vorbeigleiten ließe.

Und morgen scheint wieder die Sonne?

Die Flaschenpost

Eine Flaschenpost
aus dem Jahre 1941
wurde wieder gefunden.
Adorno warf sie ins Meer,
das sich zwischen den Kontinenten
aufgetan hatte,
zwischen dem demokratischen Amerika
und dem totalitären Deutschland.

Ich habe sie wiedergefunden
im Jahr 2020.
Sie sprach davon,
dass es ein Jahrhundert
doch wieder geben müsse,
in dem er sich wiederfinden
lassen müsste, der Glaube,
dass alles besser werde. Sonst
wäre verloren, woran e r doch glaubte.

Tang hatte sich angeheftet:
Von Walter Benjamins Hoffnung
eben auf eine Morgenröte
auferstandener Treue
zum Verlauf der Geschichte.
Von Paul Celan auch,
vor hundert Jahren geboren:
dass eines Tages sich wieder
Menschen besännen
aufs Gute im Menschen.

Sie alle, die unter dem Regime
des alles Vernichtenden
damals doch lebten,
hatten irgendeine solche Botschaft,
so unbestimmt und unklar
sie auch sein mochte,
und sie hing auch an der Flasche.

Und alle, die sich so
an die Flasche geklammert hatten
mit ihrer Botschaft,
sie alle hatten die Hoffnung:
Einmal wird es doch besser wieder
und gut, wirklich gut!

Nur das Gedenken an sie
gab mir die Hoffnung,
dass endlich die Regierenden
doch etwas täten,
was zu mehr Demokratie
führen werde, die nicht nur
ihnen selbst nützen,
sondern auch denen das
Leiden erleichterte,
das sie durchstanden hatten,
und ihnen Gerechtigkeit endlich
begegnen werde und sie triumphieren
nach allem, was sie erlitten hätten, könnten.

Auf, folgt meinem Aufruf:
Wir müssen die sein,
die jetzt einen Wandel vollziehen,
ganz im Sinne von jener
Flaschenpost, die ich wieder gefunden.

Dass grade noch vor dem Ende,
dem unausweichlichen, unserer Erde,
ihnen der Ausweg gewiss wird,
der doch von den Regierenden kommt:
Tut alles, was noch hilft,
tut, was dem Raubbau doch
ein Ende bereitet und nicht
dem Ende der lebenswichtig
für Menschen gemachten Erde
den unausweichlichen Weg bereitet,
der Erde den tödlichen Stoß versetzt.
Tut”˜s endlich doch!

November-Kühle – so zwischendurch

Gestern noch
strichen die warmen Winde
über die Apfelbäume,
auf deren manchen noch
Früchte die Fülle hingen.

Sie strichen über noch fast
taufrische Pflanzen,
die noch gar nicht bereit schienen,
sich dem November zu ergeben.

In den Obstgärten
strichen sie über kahles Geäst.
Seltsam sah das aus
gegen den blauen Himmel.

Aber heute Nacht
kamen die Regenwolken doch.
Und heute sah es oft dunkel aus
am Himmel, der so viel besser
zum November passte.

Und die Kühle wenigstens
dieses Monats,
obwohl schon wieder Blau am Himmel
die vorherrschende Farbe ist,
sie blieb nun doch.

Im Dialog*

„Wie geht es dir denn?“
„Was soll ich dir antworten? –
Gut. Jedenfalls noch.“

*ein Haiku, wie er wahrscheinlich – glaube ich – nicht gemeint war. Aber wie er mir passt.

Wunder

Stehe ich nachts im Dunkel,
so dass ich grade noch vor mir die Birke habe
im Blick, sehe ich plötzlich
im Laub dort runde, gelbe Farbtupfer,
sehe dann
runde, gelbe Früchte.
Sie könnten mir munden.
Dann sehe ich
Goldgehänge zwischen den Zweigen.
Gold kann man nicht essen,
aber wertvoll ist es schon.

Farbtupfer, süße runde Früchte,
Goldgehänge oder doch wertvolle
Glasarbeiten, die mich ergötzen,
wenn ich sie sehe, gemacht
in handwerklicher Kunst,
oder auch sonstige Fantastereien
aus Künstlerhand?

Ein Wunder jedenfalls
meine ich zu sehen
zwischen den nächtlichen Zweigen,
wogend im Nachtwind
und ich vermag nicht
näherzutreten.

Am nächsten Tag
sehe ich in den Zweigen
hier mit Künstlerhand
des Zauberers Herbst gemacht
das gelbe Blätterwerk, hergezaubert
neben dem immer noch frischen Grün.
Und ich sehe auch am Tag:
Es ist ein Wunder
im Birkenbaum geschehen.

Der Herbst

Der Himmel zeigt sich schon so herbstlich,
dass ich mir meinen Optimismus
fast verkneifen könnte:
dass der Herbst so schlimm nicht wäre,
nicht so sehr sommerlich,
sondern vom Winter schon geprägt,
dem bitterkalten.

Doch ach, was soll”˜s:
Ich will den neuen Wein genießen,
will mir die Herbst-Suppe
nicht vermiesen lassen,
will die Früchte all verspeisen,
will auf Durchfall pfeifen
und auf Magenblähen
und will ”¦
und will ”¦
und will …

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