Maier-Lyrik

Lyrisches von Helmut Maier

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D’r Reifa

D”˜r Reifa uf am Geäscht,
und dia ganz Gegend voll,
des isch a Freid,
ond s”˜Leaba isch toll!

Ond en de Däler ond Klenga
rond om d”˜r Schurwald rom
isch jeds Geäscht braun.
S”˜isch wirklich ned domm!

Ein weißes Wunder

Viele Millionen von Bäumen und Sträuchern,
bezuckert mit Raureif,
mit langen Nadeln, die von dem Geäst
abstanden wie starre Zweigchen,
bestanden den Schurwald
vor ein paar Tagen
hoch über dem Neckartal.

Selten sahen die Leute
hier oben
eine solche Pracht,
die so eine weiße Fläche
als Wunder bescherte.

Heute Morgen erst taute der Reif
schließlich vollkommen ab und
der Himmel wandelte sich
in die gleiche Bläue wieder
wie zuvor.

Bläue

Wenn man”˜s wohl sucht, kann man”˜s finden,
die paar kleinen Streifen oder so
von winzigen Spuren von Wolken
am blauen Himmel heute.

Gott danken?*

Ach, könnte ich nur einem Gott
dankbar sein fürs Gedichteschreiben:
unbeschwert könnte ich Wort für Wort setzen.

Und sie würden klingen wie aus dem Himmel,
ich wäre frei zu tun nach seinen Gaben.

Ich müsste gar nicht mehr suchen
nach Regeln, die sich schlicht ergäben,
nach Klängen, die sich einfach finden ließen.

Er wäre dann verantwortlich für alles
und müsste dann dafür gerade stehen.

*ein doppelter Achtundzwanziger

Durch irrsinnige Fragen hindurch

Durch irrsinnige Fragen hindurch
quälte ich mich.
Änderte meine Meinung
stündlich:
Wer ist schuld
an diesem Desaster?

Ich verabscheue alle die Großen,
die nicht über ihre Schatten springen.
Die Elend und Grauen
über die Menschen bringen.

Und ich leide nicht einmal
unter ihrem Versagen.
Und dennoch:
Mir ist es so schwer,
dass ich mich krümme
unter den Schlägen,
die mich nicht einmal treffen.

Aber diejenigen,
die sie treffen
und töten,
ach,
in so riesiger Zahl,
was könnte ich ihnen sagen?

Bin ich denn mitschuldig daran,
dass sie so leiden müssen?
Sie leiden und sterben
und ich lebe
und schaue zu,
sehe die Nachrichten,
diese schrecklichen
und kann nichts machen
daran.

Ich – nur ich?

Millionen von Vorfahren.
Ihr Leben ”“ völlig unbekannt.
Und doch: sie alle lebten ihr Leben.
Und das
zum Teil
bestimmte auch mein Leben.

Doch wie wenig der einzelne, die einzelne
zu meinem Leben beigetragen hat.
Ich bin ja ich
und doch
irgendwie
zusammengesetzt.

Laut für den Frieden

Laut muss er werden
und ehrlich,
der Ruf nach Frieden.
Und n u r für Israel
stimmen
ist nicht genug,
nein, das ist sogar
unbarmherzig,
wenn man nicht das Leid
der Palästinenser*innen
ansieht.

Laut muss er werden,
der Ruf nach Frieden.
Wo hat die Politik
völlig versagt?
Das muss man fragen,
und das zwar sehr laut!

War ich noch nie ein Linker?

War ich noch nie ein Linker?
Hab ich noch nie geglaubt, dass die Hamas
nur antikolonialistisch gewesen sei?
War ich noch nie in der Gefahr
romantisch gewesen zu sein?
Habe ich immer
heimlich an Netanjahu geglaubt?
Ich war ja auch schon
ein Mitglied der SPD,
niemals ein Mitglied der Linken.

Aber von allen
bestehenden Parteien
des Bundestags
sind mir die Linken
die liebsten
noch immer.

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