Maier-Lyrik

Lyrisches von Helmut Maier

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Aus Vinci

Das Haus, aus Feldstein
gebaut, umstanden
von Olivenbäumen,
einem Feigenbaum,
ein paar Zypressen
und einer Pinie.
Weingärten nicht weit,
Hügel nah, Berge ferner.
Flusstäler hineingebettet
in das Land.
Tiefgründiges Blau
über allem.
Ein neuer Leonardo könnte
geboren werden.

Wo die Liebe hinfällt

Sage mir keines von Euch:

Ein ästhetisch gesinnter Mensch

frisst nicht.

*

Ich nämlich habe einen Narren gefressen

an den Nachtkerzen

in unserem Gärtchen.

*

Nicht dass mich die schlaff

herabhängenden,

ausgelutscht aussehenden

verblühten hautfarbenen Dinger da,

die vor nicht viel mehr als einem Tag

Blütensterne noch waren,

noch irgendwie anmachten.

*

Nicht dass der sonnigste Platz in unserem

Rasen – nein: so kann man ihn allerdings

wirklich nicht nennen ”“

anderen Blumenrabatten nicht auch gut bekäme

und der Lavendelstrauch nebenan

nicht in unglücklicher Ausweichbewegung

seiner seitlich abgespreizten Blütenstängel

die Steinplatten-Tritte des Wegs

zum schattigen Birkenplätzchen

versperrte.

*

Doch diese Sterne, die bei Einbruch jeder Nacht

gelb zu strahlen beginnen, zu leuchten, zu jubilieren

und noch in den nächsten Tag hinein sich bewahren

dem liebenden Blick, dem verzückten ”“

*

wie sollte ich ihnen da wehren,

ihre Kolonie zu behaupten,

die sie einmal erobert?

Dankbarkeit

Undankbar erscheinen

angesichts der Unvermeidbarkeit

des Mangels an überschwellendem

Glücksgefühl

nach neu geschenktem Leben?

Die Dankbarkeit nur festmachen

am Willkommenheißen

der orangefarbenen Lilien,

der leuchtenden,

des farbbetupften Hibiskusstrauchs,

des Blauen Eisenhuts

– alle noch ohne Blüten

in unserem Gärtchen

vor der nun geglückten

gefährlichen OP?

Großstadt-Ruhe vor einem entscheidenden Ereignis

Nach erfolgreichem Eingriff in die Arteria basilaris im Stuttgarter Katharinenhospital bin ich nun wieder zu Hause. Seither ist mir zwar noch kein Gedicht gelungen – jedenfalls keines, das ich hier zum Besten geben will. Aber dasjenige, das ich meinen Angehörigen hinterlassen wollte, sollte die OP schiefgehen, möchte ich hier abdrucken:

So weiß ich mich geborgen
inmitten dieses Kranzes
der Hügel rund
um Stuttgarts Schalengrund gelagert.
 
Vom Kessel sprechen Leute,
die’s nicht besser wissen,
die nichts von Wölbungsgunst
der Mutter Erde hörten,
die ihre Fingerkuppen, Finger,
ihren Ballen
so schützend um mich Bangen legte
in ihrer grün bewachs’nen Hand,
 
wo im Kristall des so Geword’nen
die Spuren der Geschichte sich geordnet,
der für uns Württemberger großen,
für hier Herangewachsene wie mich
so überaus bedeutenden und tiefen.
 
So leg ich mich in dieser Nacht
vor der Entscheidung
zum ganz beruhigten und stärkenden
und himmelüberwölbten Schlaf
trotz allem Reifenquietschen und Motorenlärm.

Blogpause

… voraussichtlich bis zum 23. Juni 2007 (hoffe ich). Da soll ich aus dem Krankenhaus entlassen werden – wenn alles gut geht.

Helmut

Spitzengeschäfte

Dialog I

 

– Ich war heute Morgen mal wieder

beim Kassensturz-Machen.

(Neue Sparpläne ausdenken)

 

– Pfennigfuchser?

 

 

Dialog II

 

– Ich war heute Morgen mal wieder

beim Spam-Löschen und so weiter.

(Bleistiftspitzen-Geschäft am Computer)

 

– Griffelspitzer?

Auf lange

Auf lange
richte ich mich ein,
möbliere die Zukunft,
nicht achtend des Sekundenschwundes
und des möglichen Todes.

Verplempert sind Stunden und Tage,
wenn ich Jahre erwarte.
Doch Augenblicke dehnen sich
zur kostbaren Brücke,
darauf zu lustwandeln.

Kommentar

Das Gedicht Demonstration von Sabine Fenner hier – siehe auch den Blogroll – habe ich folgendermaßen kommentiert:

In Wyhl haben sie demonstriert.
Heute noch gibt es dort kein AKW.

Söhne von unseren Freunden
haben in Wackersdorf demonstriert.
Heute noch gibt es dort
keine Wiederaufbereitungs-Anlage.

In Mutlangen haben wir demonstriert
gegen die Pershings
(und standen in der Menschenkette von Stuttgart nach Ulm).
Heute ist Mutlangens Raketengelände
Wohngebiet – nicht für amerikanische Soldaten.

Kooperation

Mein Gedicht Lebenssehnsucht nach der postindustriellen Sommerfrische (siehe dort) wurde von Petros mit einem eigenen Gedicht kommentiert und heute (9.6.07) im Duett mit seinem in seinem Bloghaus veröffentlicht. Ich bedanke mich herzlich für diese Ehre und empfehle die Lektüre dort: blogpoesie.de

bzw. hier: lebenssehnsucht-aus-dem-hause-helmut-maier

Lebenssehnsucht nach der postindustriellen Sommerfrische

Vermarktung des Lebens,
das sich wendet
gegen die Kommerzialisierung.
Zu einem Geschäft gemachte
Reproduktion von
geschäftsfreien Lebensformen.
Wohlfeile Ware nur
sind Bilder
vom Leben auf dem Lande.
Übervölkerung des Ersehnten
löst es dann auf.
(nach Isolde Charim: „In der Sommerfrische“ – taz vom 5.6.07, Seite 12)
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