Der Krähenbaum – so stell ich mir ihn vor,
ein Sinnbild unsrer Endlichkeit,
ein unerreichbar großer Schatz,
so flüchtig er auch sei:
und doch zum Denkmal tauglich,
so schnell er auch dann wieder
verschwunden ist.
Da ist er jetzt: der Krähenbaum

Lyrisches von Helmut Maier
Der Krähenbaum – so stell ich mir ihn vor,
ein Sinnbild unsrer Endlichkeit,
ein unerreichbar großer Schatz,
so flüchtig er auch sei:
und doch zum Denkmal tauglich,
so schnell er auch dann wieder
verschwunden ist.
Da ist er jetzt: der Krähenbaum

Manchmal
komme ich mir vor
wie ein junges Vögelchen,
das noch gefüttert werden muss.
Nein, ich bin kein Nestflüchter,
verließ mein Elternhaus,
weil der Staat es so wollte
und mich als Lehrer versetzte
in entfernte Gegenden.
Aber nein, das ist längst vorbei.
Ich bin ja pensioniert;
aber ja, da lebe ich doch vom Staat,
lasse mich füttern
wie der Vogel einst.
Und doch bin ich längst erwachsen,
habe mir das Gefüttertwerden
(im metaüphorischen Sinn)
längst durch mein Lehrersein
erworben – oder nicht?
Aber manchmal würde
ich mich schon
gerne füttern lassen
anstatt gute Ratschläge zu erteilen.
Denn: was bin ich schon?
Ein Literat, der gute Ratschläge gibt,
die niemand mehr hören will.
Aus welcher Zeit komme ich denn?
Müsste ich mich nicht tatsächlich
füttern lassen (auch im metaphorischen Sinn)
von den Erfahrungen meines Enkels?
Es ist ein bisschen wie Dschungel
in unserem Gärtchen.
Keine Tomaten,
keine Radieschen,
nichts Essbares –
außer dem Giersch
im Frühling,
ein wunderbarer Spinat
sozusagen.
Ach ja, ein paar Kräuter noch,
ein wenig Schnittlauch,
immer noch ein paarmal
der wunderbare Dos(ch)t,
ein bisschen – allerdings kaum
von mir benützt beim Kochen
des Mittagsessens – Brennnesseln,
ein bisschen auch noch für den Tee
ein paar Kräutlein.
Sonst jetzt im Sommer
kaum noch blühende Pflanzen
auf dem Boden;
aber blühende Büsche:
Rosen, gelb und lachsfarben,
Hortensien, allerdins mit Blüten
auf der hausabgelegenen Seite
dieses Jahr.
Dann noch Hibiskus,
jetzt immer mehr,
und noch ein paar Blüten
der Weigelie.
Sonst ist es jetzt
ein Dschungel
(wie gesagt)
aus Haselnuss
(üppig)
und zwei Birken,
(noch üppiger)
und Gehölz an der Grenze,
an der man nach ein paar Schritten ankommt.
Ein Marmeladebrot
zwischen den Zähnen,
aber ich spüre
die Süßigkeit nicht.
Ich höre und sehe
im Tagesschauprogramm
die flüchtende Frau
aus dem Iran,
die hungernden Kinder
in Gaza,
die hilflosen Leute
in der Ukraine.
Und ich höre nichts
von Bedauern, das der
Bundeskanzler für das Leid
der Menschen hätte,
nur dass der Sieg
in der Ukraine
nicht gelingen könnte,
aber nichts über
den israelischen
und den amerikanischen
Angriffskrieg im Iran
und auch nicht über Gaza.
Und ich spüre nicht
die Süße
auf meiner Brotscheibe.
Ein Kuss für meine Liebste,
als sie das Spiel gegen mich
verloren hat.
(Was für eine günstige Gelegenheit!)
Drei neue Blüten im Gärtchen.
Wenigstens drei!
Das ist besser als nichts!
Das Wetter bleibt schön.
Sollte es das?
Ach, was kümmert‘s mich heute!
Und rundherum: Uns geht‘s gut.
Und das soll es!
Wie wunderbar, die Spatzen, die sich
auf unsere Terrasse wagen
und dort feine Brosamen finden
(obwohl wir auch Vogelfutterstellen haben);
wie wunderbar, dass heute eine erste
Blüte des Hibiskusstrauchs aufgegangen ist;
wie wunderbar, dass unter unserem Sonnensegel
(nachdem ich es aufgespannt hatte)
die kühlere Luft zirkulieren konnte!
Wie wundersam doch alles ins Bild passt:
auch die gestern wiederholt aufgehenden
Nachtkerzen leuchteten
(allerdings inzwischen schlapp herunterhängen,
aber das ist ja normal),
auch die Wasserschale bei Vögeln und wilden
Wespen so schönen Zuspruch hatten,
dass es uns so großartig gut geht …
Doch da ist auch der unlegitime Angriff
Israels auf den Iran und der
genauso unlegitimierte Angriff
der Amerikaner auf den Iran und
das grässliche Schicksal der Menschen
in Gaza, die in Ruinen, in Zelten oder gar
im Freien irgendwo, wo man sie kreuz und quer
hingeschickt hatte durch das israelische Militär,
statt in einigermaßen angemessenen Häusern
leben müssen.
Und da soll es uns gut gehen, denen es gut geht?
Und wann kommt die Atombombe zu uns
irgendwann – warum sollen wir es besser haben?
Das nun grüne Meer der Bäume
Veröffentlicht am 20. Juni 2025
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Der Tag hat die Lichtflügel rasch entfaltet
im Sonnenglanz strahlt vom Wind gewellt
das nun grüne Meer der Bäume
~
Ein Ruhepol und Augenschmaus
als Gegenpol zum bunten Treiben
der Blütenvielfalt in Gärten und Wiesen
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© o)~mm/SyntaxiaSophie 06.2025
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Ein „Doppel-Reziprok-Achtundzwanziger“ nach Helmut Maier
Ich weiß: es ist alles vorbei:
Alles vergangen.
Ich weiß, ich kann‘s nicht mehr
beeinflussen.
Aber noch liegt etwas
in der Zukunft:
das kann ich beeinflussen
mit meinen bescheidenen
Mitteln. Ich weiß:
es kann sich noch ändern,
wenn ich nicht alleine bin.
Also ist noch nicht alles vorbei,
es gibt noch eine Zukunft!
Endlich wieder schönes Wetter!
So ein Irrsinn,
wo doch der Boden dasWasser braucht.
Und dennoch: endlich schönes Wetter!
Ich liebe es so sehr!
Aber darf ich‘s?
Ach, ich liebe auch das Regenwetter!
Aber am schönsten ist es doch:
Endlich schönes Wetter wieder.
Ja, überleben,
das ist alles, was in Kriegen
als Opfer
die höchste Priorität haben muss.
Nicht mehr: Stop der Bombardierungen.
Nicht mehr: Kein Landverlust.
Nicht mehr: Ende des Krieges,
sobald wie möglich.
Nur: Überleben
Und doch ist da
die Hoffnung,
die Hoffnung auf Frieden
irgendwann, wenn möglich bald.
Wenn man die Möglichkeit sieht,
dass man einem menschlichen Gegner
gegenübersteht,
doch: einem einigermaßen
menschlichen Gegner.
Aber wenn bei ihm
so wenig Menschlichkeit
übrig geblieben ist,
dass er alles kurz und klein hauen will,
so nur einen Sieg zu erringen
noch sehen will?
Ach, Kriege sind furchtbar,
sie trotzen aller Menschlichkeit,
sie sind nur darauf aus:
überleben,
wenn sonst die Angst zu groß ist,
zu verlieren,
nicht mehr zu überleben.
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