Lyrisches von Helmut Maier

Manchmal

Manchmal
komme ich mir vor
wie ein junges Vögelchen,
das noch gefüttert werden muss.

Nein, ich bin kein Nestflüchter,
verließ mein Elternhaus,
weil der Staat es so wollte
und mich als Lehrer versetzte
in entfernte Gegenden.

Aber nein, das ist längst vorbei.
Ich bin ja pensioniert;
aber ja, da lebe ich doch vom Staat,
lasse mich füttern
wie der Vogel einst.

Und doch bin ich längst erwachsen,
habe mir das Gefüttertwerden
(im metaüphorischen Sinn)
längst durch mein Lehrersein
erworben – oder nicht?

Aber manchmal würde
ich mich schon
gerne füttern lassen
anstatt gute Ratschläge zu erteilen.

Denn: was bin ich schon?
Ein Literat, der gute Ratschläge gibt,
die niemand mehr hören will.
Aus welcher Zeit komme ich denn?
Müsste ich mich nicht tatsächlich
füttern lassen (auch im metaphorischen Sinn)
von den Erfahrungen meines Enkels?

2 Kommentare

  1. Syntaxia

    Was die technischen Errungenschaften und die Erfahrungen damit angeht, können wir uns gewiss etwas anreichen lassen. Da haben unsere Kinder (deine Enkelkinder) uns einiges voraus.
    Bei den Lebenserfahrungen ist es vielleicht eher Naschwerk, es muss uns nicht nähren, aber es ist angenehm.

    Liebe Grüße,
    SyntaxiaSophie

  2. Helmut

    Liebe SyntaxiaSophie,

    Ich denke, die „technischen Errungenschaften und die Erfahrungen damit“ (vor allem d i e ) sind vielleicht weniger w i c h t i g für uns Ältere, weil wir (und das trifft m i c h als noch Älteren wohl noch mehr) wohl d i e s e Erfahrungen (noch) für nicht so wichtig halten, wie die jüngere Generation sie hält (zu Recht oder Unrecht – vielleicht eine noch zu klärende Frage). Ob sie also n u r „Naschwerk“ sind?
    Jedenfalls danke ich dir von Herzen für deine ausführlichen Antworten

    und grüße dich herzlich
    Helmut

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