Heute wieder
auf der Montagsdemo
gegen Stuttgart 21.
Wirklich: wieder
einmal.
Vorher auf dem Schlossplatz
suche ich mir ein Plätzchen:
links neben mir
das Neue Schloss,
vor mir das ehrwürdige
Alte Schloss.
Doch besonders heute:
die kerzenbestickten Bäume,
keine Weihnachtsbäume,
sondern mit kerzenartigen
starken Kerzen: die Blüten
der Kastanienbäume
Auf dem Rasen vor dem Alten Schloss
ein paar junge Frauen
mit ihren kleinen, fast babyartigen Kindern.
Zwei rennen auf dem Rasen.
Doch sie werden rasch gefangen:
das eine sogar ziemlich schnell:
die Mutter dreht sich um sich selbst,
schwenkt ihr Kind durch die Luft,
noch einmal und noch einmal.
Jedes Mal liebkost sie es.
dann kommt es in den Wagen.
Neben mir auf der Bank inzwischen
zwei Männer in fremder Sprache.
Was sie wohl sagen?
Vom Alten Schloss her,
wo es ein Museum gibt,
zwei Grüppchen,
mit Fähnchen voraus
die Führer*innen;
sie gehen nach links
außer Sichtweite.
Und auf der Montagskundgebung
darauf:
tolle Musik:
eine lächelnde Frau
und ein Mann spielen
und singen
und vor der ersten Reihe:
eine ältere Frau tanzt vor Entzücken
(außer der Reihe),
und manchmal hält sie sich den Rücken
und hat manchmal Schmerzen,
aber nur ganz kurz immer.
Die Sängerin auf der Bühne
scheint sie zu sehen:
Sie scheint noch kräftiger zu lächeln
und in der Rede:
„Wir haben‘s doch schon immer gesagt“
und das zurecht (denke ich):
Es ist ein erbärmliches Projekt,
dieses Bahnprojekt.
12 Milliarden bisher
und kein Ende
und völlig
ohne Sinn!
Dein Erscheinen dort war zumindest wieder diese Erfahrung wert – dieses Sinnlose.
Aber du hast einen Alltag rundum beobachten können, einen Alltag, den nur das Leben bieten kann. Dies wirst du mitgenommen haben.
Herzliche Grüße,
Edith
Ja, liebe Edith, du hast wirklich Recht; auch wenn die Rede in meinem Gedicht etwas kurz wegkam (aber es war sowieso zu lange). Aber es war eine sehr gute und recht unterhaltende Rede, die die große Sinnlosigkeit des Projekts recht gut darstellte.
Auch dass die zwei Fremdsprachigen auf meiner Bank sich unheimlich viel zu erzählen hatten, ich aber kein Wort verstand, muss ich dabei erwähnen.
Wirklich völlig Recht hast du, dass ich „einen Alltag rundum beobachten“ konnte, „einen Alltag, den nur das Leben bieten kann.“ Also ließ ich das Gedicht wirklich nicht unnötig so lange werden.
Ganz liebe Grüße
Helmut
Gute Lyrik, lieber Helmut,
lass uns unsere Gedanken davonziehen
frei wie die ausdauernden Flieger:
Mauersegler
schwalbenartig am Himmel
kreisend segelnd gleitend
dein Srieh Srieh
ruft noch jeden Frühling an
Sehnsucht bringst du mit Wanderer der Brisen
zur Reise zur Ferne zum Gedankenüberflug
Mauern sind in den Lüften
deinen Heimatorten nicht von Nöten
warum du Segler auf der Winde Rücken
eine Grenze oder Wälle
solltest du sollten wir suchen
so fragen wir uns heute
dein freudig tönend Srieh
bespielt die Phantasie der Dichter und Dichterinnen
dein Aufzug flehentlich erwartet
beschwingte gleitende Botin
gesellig voller Flugkunst
zart selbst im schnellen Fall
dem Erdental entrückt
fliegend über uns in Europas Firmamenten
das Glück soll dir hinter deinen Schwingen folgen
und immer wieder träumen wir vom Vogelflug
mit deinem Gesang Srieh Srieh
meine Seele fliegt mit dir
Lyrik ist wie die Antwort
auf die Fragen ob Regen Schatten wirft
zeigt wo unsere geistigen Flügel liegen
und unsere Phantasie landet
© Georg Zindl, Lyriker,
Huntlosen März 2025
Lieber Georg,
Ich danke dir,
ganz besonders für dein schönes Gedicht:
„gesellig voller Flugkunst
zart selbst im schnellen Fall
dem Erdental entrückt“
Ja, so soll die Lyrik sein!
Ob ich immer diese tollen Worte finde?
Na, egal!:
„gesellig voller Flugkunst
zart selbst im schnellen Fall
dem Erdental entrückt“.
Die Mauersegler
machen es uns ja vor!
Ganz liebe Grüße
Helmut