Lyrisches von Helmut Maier

Schlagwort: Theorie der Lyrik (Seite 5 von 6)

Man braucht Sicherheit

„Man braucht, um was zu schaffen, Sicherheit.“

Es war die Überzeugung vieler in der DDR, dass es sich um einen Staat handele, der angetreten ist, diese Sicherheit zu schaffen, damit jede Person in dieser Gesellschaft ihren Kräften gemäß zum Wohl des Ganzen mitwirken soll und mitwirken können soll.
Diese Überzeugung spricht Kurt Demmler mit diesem Satz in seinem Gedicht „Man braucht Sicherheit“ an, wobei ich nicht weiß, ob man auch sagen könne, er spricht sie (als seine eigene) aus.

Auf Kurt Demmler bin ich durch Matthias Pleye auf seinem Blog „Gedankenpflug“ gestoßen. Dort veröffentlicht er regelmäßig Aphorismen, aber auch ihn interessierende Informationen,
zum Beispiel (und das besonders) über Berlin.

Am 9. Dezember gibt es unter dem Titel „Berlin in EINEM Wort, die Ehrung ”“ Platz 13 (3): Fernsehturm (Alexanderplatz)“ unter anderem einen Link zu You Tube und dem Titel „Alex Demo 4.Nov. 1989“, also einem Video zur Ostberliner Demonstration vom 4. November 1989 – kurz vor der Maueröffnung! Da spricht (in diesem Ausschnitt) vor allem Markus Wolf, aber davor noch Kurt Demmler. Sein Text ist eben das Gedicht „Man braucht Sicherheit“.

Wenn man sich klarmacht, dass diese Demonstration Teil der friedlichen Revolution von 1989 in der DDR war, aber noch beileibe nicht definitiv an ihr Ziel gekommen war, dann wird deutlich, warum Demmler sein Wortspiel mit der „Sicherheit“ gebraucht, um seine Botschaft deutlich zu machen. Er schließt sein Gedicht deshalb (wenn ich die Interpunktion vom Hören her richtig zuordne) mit dem Satz

„Zur Persönlichkeit braucht’s Sicherheit auch vor der Sicherheit (und als „die“ Sicherheit war der Staatssicherheitsdienst „Stasi“ bekannt).

Dass Demmler nachher – nach der Revolution – eher zu den Gescheiterten gehört, kann man bei Wikipedia nachlesen.

ergänzt am 19.12.

Ein gehörter Text – worüber?

Manchmal ist es zum Verständnis eines literarischen Textes, besonders eines lyrischen, sehr hilfreich, wenn die entsprechende historische Situation bekannt ist, in der die Entstehung des Textes liegt.
Ich will hier ein Beispiel beitragen, das ich von einem Blogpartner als Tipp bekommen habe. Von ihm habe ich den Link zu einem visuellen Beitrag. Hier will ich mich – zunächst – auf einen Audio-Beitrag beschränken. Wer der Blogpartner ist, werde ich später verraten und damit dann auch den Link zu der anderen Quelle.

Also: erst mal sich den Text anhören:
Audio-Datei hier

Entsprechenden Recherchen steht natürlich jede Internet- oder sonstige Recherche offen. (Es handelt sich bei dem Autor übrigens um eine recht umstrittene Persönlichkeit, was nicht unbedingt etwas mit dem Text zu tun haben muss.)

Kleine Reimkunde II

Der Schiller war halt Schwabe*,
das merkt man überall;
nicht groß war seine Habe,
hatte kein Pferd im Stall.
So glaube ich: Er hatte Schulden
und konnte wer sich nicht gedulden,
so hätte der’s ihm abgespannt.
So war das Brauch damals im Land.

Als Schwabe hat der Schiller auch,
wie’s noch bei meiner Oma Brauch
nicht ö und ü streng unterschieden
von ee und ii und so hinieden
der Schwaben Mundart (muss man sagen)
zur Klassik gradewegs getragen.

*Altwürttemberger jedenfalls (obwohl es damals kein Neuwürttemberg gab)

Man stelle sich bloß einmal vor, jemand würde Schiller heute so vortragen, wie meine Oma das gelesen hätte (siehe auch Kleine Reimkunde I), z.B. das heute so lesen: [wirde der fraoen]: Würde der Frauen – vorgestellt von Hermann Josef Schmitz.
Einige Verspaare daraus zum Beleg:

Und in der Grazie züchtigem Schleier
Nähren sie wachsam das ewige Feuer

Aber mit zauberisch fesselndem Blicke
Winken die Frauen den Flüchtling zurücke

In der Mutter bescheidener Hütte
Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte

Nimmer ruht der Wünsche Streit,
………………….. (Nimmer, wie das Haupt der Hyder)
Ewig fällt und sich erneut.

Aber wie leise vom Zephyr erschüttert,
Schnell die äolische Harfe erzittert

In des Mannes verdüstertem Blick,
………………… (Klar und getreu in dem sanfteren Weibe)
………………….(Zeigt sich der Seele kristallene Scheibe,)
Wirft sie der ruhige Spiegel zurück.

Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht,
…………………(Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen,)
…………………(Sich in der lieblichen Form zu umfassen,)
Und vereinen, was ewig sich flieht.

Hütet der Züchtigkeit köstliche Blüte,
Hütet im Busen des Weibes die Güte,

Aber in kindlich unschuldiger Hülle
Birgt sich der hohe, geläuterte Wille

Aus der bezauberten Einfalt der Züge
Leuchtet der Menschheit Vollendung und Wiege


Noch wenigstens ein Reimpaar/Verspaar zum Beleg von ö=ee (eh):

Mutig sprang er im Gewühle der Menschen,
Wie auf Gebirgen ein jugendlich Reh;
Himmel umflog er in schweifenden Wünschen,
Hoch wie die Adler in wolkigter Höh‘;

(diesmal aus „Eine Leichenphantasie“, vorgestellt hier: hier)

Kleine Reimkunde I

fürs Verstehen Schriftdeutsch sprechender Schwaben

Im Schwabenland, da reimt sich zwei
Nicht wirklich rein auch auf die Drei [dreii].
Es reimt sich aber auf den Mai.
Doch reimt´s gewiss sich nicht auf frei. [freii]

Sprach Oma* schriftdeutsch, war die Freude [fraide]
ein Reimwort auch für alle beide:
für „tu mir bitte nichts zu Leide“
und auch fürs schöne Sommerkleide.

Egal wie ausgesprochen: Freude, [fraide ”“ oder: froide]
es reimte sich noch nie auf Leute. [leiide ”“ oder: loiite]
Auch was ich gar nicht gerne leide [leiide],
das reimt sich nicht auf alle beide.

Was gibt´s denn da für ein Gejaule […jauule]
(das reimt sich nämlich auch auf Faule!)?
Doch spricht ein Schwabe von sei´m Fraule, [fraole]
Hat´s die Verkleinerungsform ja, genau: le.

So reimt sich eben grau und blau,
das wissen alle ganz genau.
Doch reimt sich das nicht auch auf schlau; [schlauu]
ein Reim d e r Sorte wäre rau. [rauu]

*wahrscheinlich noch genau so wie Schiller zu seiner Zeit

Poem Symphony

Hinweis: H i e r gibt es einen Bericht über das Werk und seinen Schöpfer.

Deutsche Welle präsentiert:
Campus-Konzert
So 27.9.
20 Uhr
Beethovenhalle
Bùi Công Duy Violine
Orchester der Vietnam National
Academy of Music Hanoi
Claire Levacher Dirigentin
Ludwig van Beethoven: Ouvertüre zu
Heinrich Joseph von Collins Trauerspiel
„Coriolan“ c-Moll op. 62
Do Hong Quan: “Viet Nam”. Rhapsodie für
großes Orchester
Trân M_nh Hùng: »Le Chi Viên« für Violine
und Orchester. Poem Symphony
(Uraufführung, Auftragswerk der Deutschen
Welle)

Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 7 ADur
op. 92

Poetry Slam

Nun habe ich also auch einmal ein Poetry Slam miterlebt, beziehungsweise habe ich noch nicht wirklich ein Poetry Slam miterlebt, meine aber durch meine Erfahrung in diesem speziellen Fall mitreden zu können, wenn es um die Frage geht, was denn nun ein Poetry Slam sei und wie man es zu bewerten habe in seiner Qualität als literarisches Ereignis oder als Unterhaltungsveranstaltung, was die Frage einschließt, ob es bei der Lyrik (denn um solche sollte es doch bei etwas gehen, was englisch mit poetry benannt wird, obwohl es dem Wort nach dann ja auch um Poesie gehen könnte) auch so einen Unterschied geben könnte wie bei der E-Musik und der U-Musik, was ja auch immer eine umstrittene Frage ist; dies alles angesichts der Tatsache, dass es bei Poetry Slams ja auch, aber nicht nur um literarische Qualität, sondern ”“ vielleicht in größerem Maße ”“ um Qualitäten der Performance geht, was ja mit dem Ursprung des Wortes Lyrik, nämlich dem, was mit der Lyra vorgetragen werden soll, sehr viel zu tun hat ….

Ob so ein Text in seiner Atemlosigkeit für ein Poetry Slam passen könnte? Wohl weiß ich sogar, dass bei Poetry Slams nicht nur Lyrik zum Vortrag kommt, sondern auch Kurzgeschichten ihren Platz haben können. Dann wäre Prosa also möglich, wobei diese Prosa hier keine Kurzgeschichte darstellt …

Fragen über Fragen, wie sie sich mir stellten bei dem Erleben des „Poetry Slam ”“ dead or alive“ im Stuttgarter Theaterhaus am vergangenen Donnerstag. Die Karte(n) dazu waren ein eingelöstes Geburtstagsgeschenk, fußend auf einem Gutschein, den ich an meiner vorgezogenen Geburtstagsfeier Anfang August von meinen Kindern bekommen habe. Die haben mich also auf diese vorsichtige Weise mit etwas bekanntgemacht, was einen Menschen, der sich der Lyrik verschrieben hat, doch wohl interessieren sollte. Und obwohl ich allem, was mit Präsentation zu tun hat (also wohl auch einer Performance!), einigermaßen skeptisch gegenüberstehe, weil ja die Gefahr besteht, dass das, was präsentiert wird, gegenüber der Qualität der Präsentation/Performance in den Hintergrund treten könnte, habe ich mich neben der Erfahrung, die ich ja nun endlich auch einmal machen musste, gut unterhalten.

Wer nun noch genauer wissen will, worum es am vergangenen Donnerstag genau ging, dem empfehle ich, diese Seite zu lesen: https://stuttgart.sprechstation.de/?page_id=108 .
Und eine Darstellung, worum es bei Poetry Slams generell geht, gibt es zum Beispiel hier:
https://www.soundslikepoetry.de/Slaminfo.htm .

Fliegen

Wer muss schon
an den Himmel glauben,
wenn sie, wenn er
schon Flügel hat,
damit zu fliegen?

Wer wird schon
Flügel erst sich wünschen,
wenn er, wenn sie
mit Poesie
bereits Erfahrung hat
vom Fliegen?

Aphoristische Theorie der Lyrik

Kaum in einer anderen Sparte der Literatur treffen sich so sehr zwei Etymologien von „Dichtung“ wie in der Lyrik: dass jemand etwas zu sagen weiß und dass jemand etwas ‚dicht‘ sagen kann.
Manchmal aber streiten sie heftig!

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