Lyrisches von Helmut Maier

Schlagwort: Theorie der Lyrik (Seite 4 von 6)

Der „Deutsche Dreizeiler“ – oder besser gesagt: eine deutschsprachige Dreizeiler-Variante

Auf „Schmetterlingsgesang“ hat Stefan Enke in seiner Ausgabe Nr. 23 des „Kulturbeutels“ das Modell meines „Deutschen Dreizeilers“ kritisch würdigend untersucht und einzuordnen versucht.

Hier folgt nun mein Kommentar dazu:

Ich bedanke mich zunächst einmal für eine ganze Kulturbeutel-Ausgabe nur für mein Modell eines Deutschen Dreizeilers. Ich weiß, die Ehre gebührt nicht einmal in erster Linie mir, sondern wahrscheinlich viel eher Syntaxia, die ”“ wie ich finde ”“ wunderbare Beispiele für dieses Modell geschaffen hat.

Wenn im Kulturbeutel Nr.23 vermutet wird, dass der „Deutsche Dreizeiler“ meines Modells auf die Idee zurückgehe„ eine eigenständige deutsche Form von Kurzgedicht abseits vom weithin bekannten japanischen Vorbild zu erstellen“, so kann ich dem nur teilweise zustimmen. Zunächst muss ich zugestehen, dass mein Begriff „Deutscher Dreizeiler“ durchaus schon gebraucht wurde, bevor ich ihn so festlegte, wie ich´s tat.
Man meinte zum Beispiel einfach die Versuche die Modelle Haikus und Senryus in deutscher Sprache nachzuempfinden, entwickelte aber (wie LudwigJanssen [ https://www.keinblick.de/autoren.php?autor=3879 ] ”“ ähnlich wie japanische Dichter(innen?) ”“ mit sogenannten Deudres auch Varianten zu den strengen Silbenvorschriften (die ja eigentlich von den europäischen Adapteuren stammten) zu entwickeln. Dabei
sollten aber die Silbenzahlen 5 – 7 – 5 wegen der geforderten Dichte der Sprache nicht überstiegen , besser sogar unterschritten werden. Dies war nun sowohl eine Befreiung (nämlich von der genau festgelegten Silbenzahl), als auch weiterhin eine Einschränkung, die dazu zwang, das japanische Vorbild möglichst zu erreichen, dass nämlich das in der japanisch-chinesischen Malerei im Pinselstrich deutlich werdende Reduktionsverfahren eingehalten wird.

Diese inzwischen in der europäischen Dichtung bekannt gewordenen Übersetzungen bzw. Neuschöpfungen von Haikus und Senryus (auch als Teile von Tankas) verdienen meinen vollen Respekt wie auch ihre oft genialen Schöpferinnen und Schöpfer; sie sind eine wichtige Quelle von Lyrik geworden, aber in ihrer Tendenz der Vereinfachung liegen genauso große Gefahren wie in der vom Autor des Kulturbeutels geschmähten, die Arbeit mit den westlichen Wortausmaßen nicht bewältigenden „unglaublichen Langatmigkeit“. Im einen Fall kann Vereinfachung zur Banalität, im anderen Fall die größere Ausführlichkeit zur Geschwätzigkeit führen. Ich glaube aber, dass wahre Künstler weder im einen, noch im andern Fall dieser Gefahr erliegen müssen, es also im Einzelfall nicht am Modell, sondern an der individuellen Fähigkeit oder Unfähigkeit liegt, wenn das Werk gelingt oder nicht gelingt ”“ wobei es viele Leistungsvarianten zwischen den Extremen geben wird, sowohl in der Person als im jeweiligen Werk. Was aber ist dann gegen die Ausweitung der Möglichkeiten zu sagen, sich an Formen zu halten, wenn man will, aber auch künstlerische Freiheiten einzusetzen, denen kein dogmatischer Eklektizismus eine Schranke sein darf?

Übrigens ist es hoffentlich nur ein Tippfehler, wenn behauptet wird, das „neue“ Angebot weise die Richtzahlen als 8, 9 und 10 aus. In meinem Modell sind es die Vorgaben 8, 9 und 1 1 ! Das erhöht meinem sehr subjektiven Gefühl nach die Möglichkeiten, die in dem Modell liegen, zum Beispiel die dritte Zeile noch mehr als Kommentarzeile oder Erklärungshilfe oder verzögerten Überraschungseffekt einzusetzen.
Dabei habe ich die Erfahrung bei eigenen u n d „fremden“ Texten gemacht, dass die ganzen Festlegungen auf Daktylen, Trochäen, Jamben und Trochäen beim „Deutschen Dreizeiler“ wie bei Haikus und Senryus ins Leere laufen, weil es eben nicht um Vorgaben von bestimmten Rhythmen geht. Gerade hier liegt die große Chance der schon länger und der neu adaptierten und der jetzt auch erweiterten japanischen Tradition, dass jedes Verfassen eines Dreizeilers passende oder unpassende, wirkungsvolle oder langweilige Formen des Rhythmus in oft verblüffender Überraschung hervorbringen kann. Es hängt eben zum Beispiel schon davon ab, welcher Rhythmus sich als passend erweist, ob die erste, zweite oder spätere Silbe eines die Zeile einleitenden Wortes die erste wirkliche Hebung in der Zeile hat.

Auf diese jeweils neue Überraschung setzt mein Modell, das übrigens durchaus zur Bildung neuer Modelle Mut macht. Das kann man auf meiner Initiativseite durchaus schon sehen.

Ich bedanke mich noch einmal für die große Arbeit, die Stefan Enke in die Recherche „meines“ Deutschen Dreizeilers gesteckt hat und freue mich, wenn die Debatte darüber weitergeht. Ich werde versuchen alle Beiträge in meinem Blog, in denen der „Deutsche Dreizeiler“ eine Rolle spielt, in einer Kategorie „Deutsche Dreizeiler“ zusammenzufassen. Das mag helfen.

Deutscher Dreizeiler* VI

Wirklich gesegnete Gegend:
Sie erlaubt im Rhythmus zu sehen
wundersam wechselnden Aggregatzustand.

*So, ich glaube, ich habe jetzt genügend geübt, um (wenigstens mir) zu zeigen, dass ein mir unmittelbar einleuchtender Silbenrhythmus eines Dreizeilers mit 8, dann 9 und schließlich 11 Silben sinnvoll machbar ist. Das bezeichne ich nun willkürlich als „deutschen Dreizeiler“, weil er nach meinem Gefühl der abendländischen Denk- und Fühlweise mehr entgegenkommt als Haiku und Senryu.

Und prompt kommt die Antwort von Petros:

Gute Ideen sind gefragt”¦
Der Mut zum Experimentieren
Öffnet neue Wege lyrischen Schreibens.

Theo Lutz ist tot

Heute Morgen sei Theo Lutz friedlich eingeschlafen, so die Nachricht, die uns heute erreichte.
Dass ich mit meinem kürzlichen Beitrag ( https://www.maierlyrik.de/blog/2010/01/12/zufallsgesteuerte-eingebung-gesteuerter-zufall/ ) fast so etwas wie einen Nachruf auf ihn geschrieben habe, war mir da noch überhaupt nicht bewusst.
Seiner Frau drücke ich hiermit mein herzliches Beileid aus.

Ergänzung am 8.2.2010: Siehe: Als die Welt das Lutzen lernte: Zum Tod von Theo Lutz (Detlef Borchers)

Theo Lutz ist jetzt auch in Wikipedia zu finden.

Generiertes Gedicht II

zarte Vokabeln

die Vokabeln sind beschwipst
beschwipst jedoch zart
wären sie
bündig aber doch zart
wie zart wären die Nöte
und auch Blüten

lasst euch schwanken, Nöte
so wie die Vokabeln

lasst euch sammeln , Wörter
schwanken in zeitloser Zahl!

hor.de

Ich war schon ewig nicht mehr bei hor.de .
Nun habe ich dort gesehen, dass das Alphabet als Art Generator benützt wird. Ok, auch eine Methode: Ach-o-brav

Eigentlich müsste ich öfter dort vorbeischauen. Vieles spricht mich an, vor allem kurzkommentierte Meldungen in Fülle.

Bitte unbedingt die „Berichtigung“ in Dirks Kommentar lesen, wenn Interesse besteht.

Zufallsgesteuerte Eingebung – Gesteuerter Zufall

Was ich im Folgenden ausführe, hat mit meinen zwei Gedichten unter dem Gesamttitel „Gesteuerter Zufall“ zu tun ”“ bzw. haben sie mit der Recherche zu tun, die ich nun darstellen will:

Ich bin durch Bekannte auf den Namen „Theo Lutz“ gestoßen. Ich erfuhr, dass Theo Lutz mit Max Bense zusammengearbeitet hat. Tatsächlich war der Mathematiker Theo Lutz Doktorand des Kybernetikers Max Bense. Das Ergebnis eines Experiments mit dem Großrechner „Zuse 22“ am Rechenzentrum der TH Stuttgart, aus dem später die Abteilung für Informatik hervorging, veröffentlicht Lutz 1959 in Benses bedeutender Literaturzeitschrift „Augenblick“ der sogenannten „Stuttgarter Schule“. Es sollte sich um einen Meilenstein computergenerierter Poesie, um die sogenannten stochastischen (also zufallsgesteuerten) Texte handeln.

„Theo Lutz hatte ein Programm geschrieben, um stochastische, d.h. zufallsbasierte Texte zu erzeugen. Dazu hatte er, auf Max Benses Anraten, je 16 Subjekte und 16 Prädikate aus Kafkas „Schloss“ ausgewählt.“
( https://copernicus.netzliteratur.net/ )

Der Aufsatz von Theo Lutz kann hier nachgelesen werden:
https://www.netzliteratur.net/lutz_schule.htm

Autoren, die im „Augenblick“ publizierten und bei der Konstituierung der Stuttgarter Gruppe/Schule eine mehr oder weniger gewichtige Rolle gespielt haben, sind neben Gomringer, Heißenbüttel und Max Bense selbst, ferner Arno Schmidt, Martin Walser, Ludwig Harig, Claus Henneberg, Theo Lutz, Reinhard Döhl, Ferdinand Kriwet, Jürgen Becker, Manfred Esser u.a.

Schön, Theo Lutz in dieser Liste gefunden zu haben, die bei Reinhard Döhl: „Der Kreis um Max Bense“ nachgelesen werden kann:
https://www.reinhard-doehl.de/bensekreis.htm
Übrigens kann man auch Ernst Jandl durchaus zeitweise zur Stuttgarter Schule rechnen.

Ein paar weitere Links dazu:

https://www.netzliteratur.net/lutz_schule.htm

https://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E6FB99E42AC1A491F82B508DE67BA20E7~ATpl~Ecommon~Scontent.html

https://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2004/11/30/a0189

https://www.stuttgarter-schule.de/bensekybernetik.htm

Bei Günters genialen Gedicht-Generatoren 😉
( https://www.poetron-zone.de/poetron.php )
dürfte es sich um praktisch dasselbe handeln wie das ursprüngliche Programm von Theo Lutz ”“ wohl etwas auf moderne Handhabung eingestellt.
Mit ihm habe ich versucht, so etwas wie künstliche Poesie herzustellen. Dieser Vorgang wird übrigens seit Theo Lutzens Aufsatz „lutzen“ genannt.
Nach mehreren Versuchen, habe ich dann gedacht, dass mein Gehirn als „Computer“ in Erinnerung an die entsprechenden Resultate etwas Ähnliches hervorbringen könnte. So ist der Text „Stochastische Zusammenschau“ entstanden. Dann habe ich Teile davon in das Poetron eingegeben und habe das künstliche Gedicht nach meinen Vorstellungen ideologischer Art verändert ( 🙂 ). Daraus wurde der Text „Eine Anklage an Heilige Schriften“. Der „Originaltitel“ hieß übrigens: „Ode an Heilige Schriften“.

P.S.: Es darf geraten werden, welche Begriffe ich ins Poetron eingegeben habe. Eine Auflösung wird es aber nicht geben.

Aphorismus 1/10

Verse sind nicht das Leben,
aber sie können ans Leben anschließen.

Kommentar zu „Herzkalt“ von Petros

Bitte unbedingt auch die Kommentare (möglichst einschließlich der Links) lesen. Sie bilden zusammen mit dem Aphorismus und dem „Original“-Text von Petros ein richtiges kleines Projekt – mit mehreren Gedichten: von Hermann Josef Schmitz, Petros (ein weiteres), Barbara Hauser und Curt Hauser usw.!

Und noch ein ‚Blick‘ hierher (wieder mit allen Kommentaren) zu Barbara! Klasse! Unter den Kommentaren auch das Gedicht „Gedankenbilder II“ von Isabella Kramer, das auch hier zu finden ist: https://veredita.blogspot.com/2010/01/gedankenbilder-ii.html .

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