Knapp pointiert
oder in fröhlichem Redeschwall:
Alles ist möglich bei Dreizeilern.
Siehe die Zusammenstellung der Dreizeiler bei Maier-Lyrik: https://www.maierlyrik.de/blog/category/deutsche-dreizeiler/
Lyrisches von Helmut Maier
Knapp pointiert
oder in fröhlichem Redeschwall:
Alles ist möglich bei Dreizeilern.
Siehe die Zusammenstellung der Dreizeiler bei Maier-Lyrik: https://www.maierlyrik.de/blog/category/deutsche-dreizeiler/
Lyrik ist wesentlich Staunen.
Fahrrad und Fels,
Glockenblumen, fest verwurzelt,
Wolken, die ziehen:
Solches ins Gedicht zu heben.
lieber Dichter,
würde gerne dir Wordsworth erlauben
(er stand ja im Austausch mit manchem).
Gut heißen würde er es,
sich freuen,
dieses Alltägliche erhaben zu sehen
(hier sage ich nicht nur „erhoben“).
Beim Auto, das die Täler
erfüllt mit Dauerlärm,
wäre das wohl etwas Andres.
Zum einfachen Leben gehörend
(plain living)
würde er es
wohl nicht gelten lassen –
nimmer! –
(wenn er es kennen würde heute;
der Eisenbahn stand er dann später ja
sehr kritisch gegenüber:
„Gibt es denn keinen Winkel mehr
in diesem Land, der sicher ist
vor unbedachten Übergriffen?“*)
High thinking war für ihn was andres;
auch dann noch, als er Herr war
über Rydal Mount.
*William Wordsworth Die Kendal- und Windermere-Eisenbahn Zwei Briefe Reprint aus der Morning Post, nachgesehen und ergänzt KENDAL: gedruckt von Branthwaite und Sohn [1844] ins Deutsche übertragen von Dietrich H. Fischer1 1995 Hier: Sonett über die geplante Kendal-Windermere-Eisenbahn
(https://william-wordsworth.de/pdfs/MorningPostLetters.pdf) !
Gedichte sind wie eine Geheimschrift
Nicht jeder weiß sie zu lesen.
Eingeweiht musst du sein.
Andernfalls bleibt dir verborgen
das Geheimnis der Alternativen
zur platten Realität, Die bleibt ja
ganz unwirksam für die Erneuerung.
Ihre Zellen erzeugen keinesfalls
irgendeine neue Energie.
Sie bleibt einfach ein Zombie.
„Brittas Tselan“ muss ich offenbar noch ein bisschen erklären:
Eine Frucht meiner kürzlichen Provencereise war auch, dass ich Zeit und Lust und Muße fand, ein Buch zu lesen, das ich schon sehr lange auf meinem Stapel nichtgelesener Bücher liegen gehabt hatte: Brigitta Eisenreich, Celans Kreidestern, Suhrkamp-Verlag Berlin 2010.
Brigitta Eisenreich war 10 Jahre lang in einer Verbindung mit Celan, die jahrelang geheimgehalten wurde, weil Celans Ehe durch sie nicht gefährdet werden sollte. In dem genannten Buch berichtet sie über diese Zeit und was sie für Celans Schaffen für eine Bedeutung hatte. Unter anderem erfuhr ich, dass Britta (so wurde sie normalerweise genannt) dafür eintrat, dass Celans Name korrekt deutsch ausgesprochen werden sollte, also Tselan, wobei wohl ursprünglich die Betonung auf der ersten Silbe lag, aber in Frankreich auf die zweite Silbe rutschte.
Eine wichtige Rolle im Leben Celans, das wird in dem Buch deutlich, ist seine Auseinandersetzung mit dem Judentum. Nicht der rein religiöse Aspekt war für Celan bedeutsam ”“ er war eigentlich Atheist ”“ aber das in der Nazizeit und auch der Geschichte davor durch die Juden erlittene Leid läuterte das Verhältnis der Juden zu Gut und Böse in einer Art und Weise, die Celan dazu führte, das Judentum als lebende Metapher für das Eintreten für Humanität in der Welt zu sehen. Das führte in dem Verhältnis Celans zu seiner Geliebten Britta schließlich dazu, dass er sie aufforderte, „verjude dich doch“ – wohl, weil er in der Beziehung da in dem sich bereits ankündigenden Ende unter einer schmerzlich erlebten Entfremdung litt ”“ was aber diese wohl eher noch verstärkte. Es ist ja auch nicht einfach den Begriff der Verjudung im Nazi-Jargon als Beschimpfung und den der humanistischen Metapher Celans auseinanderzuhalten.
Ich habe in meinem Gedicht versucht, diese Diskrepanz in unsere Gegenwart zu übertragen und wäre eigentlich sehr gespannt, ob dem jemand etwas abgewinnen könnte.
Um leichter zwischen dieser Erklärung und dem Gedicht hin- und herzuswitchen, hier der Link dorthin: https://www.maierlyrik.de/blog/2017/06/02/brittas-tselan/
Wahrheit:
durchschaubar nicht,
aber erkennbar;
Bedingungen klar,
aber keine Dogmen;
Verzicht auf Krieg
gibt definitiv die delikatere Sauce
als der Bombenabwurf:
Blut ist eben nicht nur süß;
bitter der tödliche Nachgeschmack.
Der Wählerwille
ist unbekannt, erst recht
nach der Stimmenauszählung.
Konfusion:
Ergebnis der Klärung
durch ein Gemisch
aus Regeln und
regelmäßigen
unvorhergesehenen
Empfindlichkeiten.
Endlos aufschieben
lassen Entscheidungen sich selten.
Aber Verstörung
lässt sich oft nicht
vermeiden.
Liebe ist nicht immer
eindeutig beweisbar.
Magie mag vieles da ändern,
beweisen lässt sich durch sie
gar nichts.
Hass: oft der Liebe so nah;
oft aber ihr Tod.
Was wissen wir schon,
bevor wir’s erfahren?
Feindschaft oder Kooperation:
keine unauflöslichen Gegensätze.
Das Nordlicht verbindet
alle Farben des Unerfindlichen.
Die Himmelbläue
lässt sterben und leben.
Auf nichts ist Verlass
in der Verlassenheit.
Aber glückliche Fügung
lässt sich erkennen.
Die Blüte, wie sehr
bewundern wir sie am Ende.
Nur die Zeit bis dahin
ist manchmal unglaublich lang.
Gut ist’s
die Magie zu üben.
Worte sind doch genügend
vorhanden
und Laute
und Konnotationen,
manches Mal ja auch Reime,
und Herzblut als Kleister
des Unwahrscheinlichen,
das uns schließlich begeistert.
Ich schneide mir etwas ab
vom Kuchen der Realität,
unterscheide das Brauchbare
vom Unnützen, vom Banalen.
Ich wähle aus,
ich wähle.
Was ich mit meiner Wahl treffe,
erhebt einen Anspruch
auf Geltung
über die Mehrheit hinaus.
Wahrheit ist etwas
Ausgesondertes,
etwas Gekröntes,
Auserkorenes,
ein Diamant:
schneidend den härtesten Stahl.
Freiheit,
geistiges Sich-Erheben,
nicht über andere,
nein, schwebend
und leicht:
sie fliegt als Same
am Fallschirmchen
hinaus
auf der Suche
nach fruchtbarem Land
um zu wurzeln.
In dem taz-Kommentar mit dem Titel „Europa schottet sich ab“ von Daniel Bax las ich heute (am 26.8.2015), dass der Konkurrent des französischen Präsidenten Hollande, Expräsident Nicolas Sarkozy, die Flüchtlingsströme kürzlich mit einem Rohrbruch verglichen habe. Da ginge es ja auch darum, das Wasser zu stoppen, statt es gleichmäßig in der Wohnung zu verteilen. Das gebe vermutlich – so der Kommentator sinngemäß – zum Beispiel die Stimmung in Frankreich wieder.
Offenbar zeigt das, wie die Äußerungen von Leuten wie Sarkozys literarisch (und nicht nur als solches) einzuschätzen sind: als Schund! Es scheint zwar auf den ersten Blick so, als könne er Metaphern durchaus benützen. Zwar sind diese aber in einer lyrischen Sprache dazu da, um (noch) nicht vorstellbare, gute Alternativen aufzeigende Welten zu schaffen – falls sie literarisch als anspruchsvoll gelten sollen; dieser Hassprediger jedoch benützt die Metaphern „Rohrbruch“ bzw. ‚Wasserströme‘ nicht etwa dazu, um den wahren Charakter des Flüchtlings-Daseins zu verdeutlichen oder gar eine Lösung dieses Existenzproblems der Flüchtlinge aufzuzeigen.
Nein, es geht ihm offenbar nur darum, die Menschen, die unter einem unsäglichen Schicksal leiden, auch noch zu verunglimpfen: als ob sie nur dazu daseien, um uns Schaden zuzufügen. Wer den Schaden habe, suggeriert dieser Misanthrop, sei selber ein Schädling, bedürfe also nicht der Hilfe, sondern müsse abgewehrt werden.
Will man seine Weltanschauung mit etwas vergleichen, fällt einem vielleicht wie mir nur die Haltung der Nationalsozialisten gegenüber den Juden ein. Das also soll heutzutage national vertretbare Politik in einem europäischen Land sein? Nie und nimmer!
Lieber im Dreizeiler die Silben zählen als zu einsilbig sein.
Eine Metapher muss nicht auf den ersten Blick als solche erkennbar sein. Manchmal genügt die Nennung im Kontext eines Gedichts.
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