Lyrisches von Helmut Maier

Schlagwort: Spiegel (u.ä.)-Ecke (Seite 7 von 7)

„Islamist“ Gül?

In der EZ von heute, Mittwoch, dem 29.8.2007, wird berichtet, dass die Türkei mit dem bisherigen türkischen Außenminister Abdullah Gül erstmals einen Staatspräsidenten mit enger Bindung zum Islam gewählt habe. Im Kommentar dazu von Detlef Holland wird darauf hingewiesen, dass Gül schon als Außenminister ein akzeptierter Partner für die Europäer gewesen sei und als Brückenbauer gelte. Er könne nun als Beispiel dafür gelten, dass Muslime echte Demokraten sein könnten, wenn sie Religion von der Politik trennten.

So weit, so gut. Doch bei dem Hinweis darauf, dass die Wahl das Ergebnis des guten Abschneidens der AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) bei den letzten Wahlen im Juli gewesen sei, unterläuft dem Kommentator doch die Formulierung, Millionen von Türken hätten den „reformierten Islamisten“ die Stimmenmehrheit gegeben. Ist das mit den anderen (beispielhaft aufgezeigten) Urteilen über Gül und die AKP vereinbar? Ob reformiert oder nicht: über die AKP ist von Islamisten die Rede. Kann man sie gleichzeitig als prowestlich orientiert und als Anhänger des Islamismus darstellen? (Was viele Medien tun!)

In der Wikipedia (im Internet) findet man den Islamismus unter: Islamischer Fundamentalismus:

„Islamischer Fundamentalismus, gemein auch Islamismus genannt, bezeichnet die Politisierung des Islam bzw. eine Leseart des Islam auch als politischer und nicht nur religiöser Ideologie. Die Ziele islamistischer Gruppierungen sind allgemein die Errichtung eines islamischen Staates oder die Umwandlung eines existierenden Staates hin zur Anwendung der Sharia – des religiösen Gesetzes – sowie die Verpflichtung der muslimischen und nicht-muslimischen Bevölkerung auf die Werte und Normen des Propheten Mohammed und der ersten vier Kalifen.
Der Islamismus ist eine politische Ideologie, die sich einer religiösen Sprache bedient und dabei gleichzeitig den Anspruch erhebt, die einzig wahre Auslegung des Glaubens darzustellen.“

Der Kommentator der EZ scheint das nicht gemeint zu haben. Aber sein Gebrauch der Rede von Islamisten scheint mir doch die Frage aufzuwerfen:

Können wir nicht von der grundsätzlichen Parallelität moralischer Urteile weltweit ausgehen?
Wird sie möglicherweise nur durch -ismen gestört? Und wie weit trägt dazu auch der schlampige Gebrauch von ”“ismus-Begriffen bei?

Wenn bei einem ”“ismus von Religionen die Rede ist, sollte man bedenken, was die NZZOnline über den Zusammenhang von Religion und solchen ”“ismen sagt:

„Religion ist ideologieanfällig. Aber sie ist nicht dasselbe wie Ideologie.“, konstatiert  sie im Kulturteil vom 29.8.2007.

Boulevard beleuchtend

Warum steht die Nachricht
heut´ auf der Titelseite?
Mitgefühl mit den Opfern,
Journalistenpflicht wenigstens,
Opfer zu ehren?

Keine Toten; „60 Verletzte“
im Untertitel.
Mein Lokalblatt Boulevard?
Oder politischen Hintergrund
doch beleuchtend?
„Bombenanschlag auf Zug
in Russland“!

Im Untertitel ausgesprochen dann:
„Ermittlungen wegen Terrorverdachts“.
Und der Einleitungstext ein wenig
ausführlicher noch:
„Die Generalstaatsanwaltschaft
ermittelt wegen Terrorverdachts.“
„Wir können aber auch andere
Gründe für einen Anschlag
nicht ausschließen“,
ergänzt schließlich der Text.

Andere Gründe für einen Anschlag
als Terrorismus?
Gibt es Terror-freie
Bombenanschläge?
Oder ist Terror nur der
von den Staatschefs attestierte?

Zitate aus der EZ (Esslinger Zeitung) von heute. 

Was ist eine „Friedens-Dschirga“? [Spiegel (u.ä.)-Ecke, weitere Folge]

Was ist eine „Friedens-Dschirga“? Ich weiß, dass die Frage missverständlich ist. Will ich wissen (oder den Leser/die Leserin gerne wissen lassen), was unter einer Friedens-Dschirga oder auch nur einer Dschirga zu verstehen ist? Oder zielt die Frage darauf ab, ob die Dschirga wirklich bzw. in diesem speziellen Fall dem Frieden dient?

So ähnlich ging es mir mit einem Artikel in der Esslinger Zeitung (EZ) vom heutigen 13. August.
Friedens-Dschirga“ in Kabul beendet – so ist er überschrieben. In dem Artikel ist dann davon die Rede, dass „die Ratsversammlung hunderter Stammesführer aus Afghanistan und Pakistan beendet worden“ sei. Bezieht sich das „die“ vor der Ratsversammlung auf die Tatsache, dass eine Ratsversammlung in diesem Teil der Erde als Dschirga bezeichnet wird oder darauf, dass die Versammlung gemeint ist, in der es um den Frieden ging? Je nach Bezug heißen dann die Anführungszeichen im Titel, dass im Artikel eine Worterklärung von Dschirga an sich zu erwarten ist oder dass an dem Charakter der Versammlung als eine zum Frieden führende gezweifelt wird.

An den oben zitierten Satz über die Beendigung der Versammlung schließt sich dann folgender Satz an: „Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf, der überraschend zum Abschluss der sogenannten Friedens-Dschirga in die afghanische Hauptstadt gereist war, räumte ungewöhnlich deutlich eine Mitverantwortung Pakistans am Wiedererstarken der radikal-islamischen Taliban ein.“

Ob das dem Frieden dient, das wird offenbar dadurch in Frage gestellt, dass im nächsten gleich langen Abschnitt von einem Taliban-Angriff auf eine US-Basis in Süd-Afghanistan und über die Lage im Geiseldrama berichtet wird. Genau gesagt wird der Zweifel allerdings nicht. So bleibt für mich der Schluss, dass sowohl die Anführungszeichen im Titel als auch der anführungszeichenfreie Gebrauch von Friedens-Dschirga zusammen mit dem Adjektiv sogenannt eher einen im Bericht versteckten Kommentar als eine einfache Worterklärung darstellen. Denn sonst hätte man im Titel ganz einfach auf die Anführungszeichen verzichten können.

Mangel an Beweisen – Spiegel (u.ä.)-Ecke, weitere Folge

Die Esslinger Zeitung lässt am 6. August im ‚Zitat des Tages‘ Manfred Krautkrämer, den Verteidiger von Max Strauß zu Wort kommen. In seinem Plädoyer im Steuer-Strafprozess gegen den „bayerischen Politikersohn“ vor dem Augsburger Landgericht sagte er:

„Max Strauß war vor allem Sohn des allseits hoch verehrten Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß.“

Die EZ ließ sich damit wohl alles offen für die Berichterstattung am folgenden Tag: Anerkennung für die gesamte Familie Strauß, Hohn für den Verteidiger – oder Indifferenz. Je nach Ausgang des Urteils, das am Tag des Zitierens erwartet wurde.

Dieses Urteil war dann eigentlich nicht erstaunlich (weil das Gericht wohl ebenso von der Familie Strauß überzeugt war wie der zitierte Verteidiger): Max Strauß wurde „vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen“ – so die EZ heute. Weiter die EZ: „Das Landgericht Augsburg sah in seinem gestern verkündeten Urteil keine Beweise dafür, dass der 48-Jährige vom Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber Geld erhielt und nicht versteuerte.“ Der Richter habe sich in seiner Urteilsbegründung überzeugt gezeigt, dass die Zahlung von 338 000 Euro an Max Strauß nicht erfolgt sei.

Dass das nur einem Freispruch mangels Beweisen entspricht, wird in der EZ nicht ausdrücklich gesagt.

Vom Baum der Erkenntnis – Spiegel (u.ä.)-Ecke, weitere Folge

Früchte des Paradieses
Vom Baum der Erkenntnis
Des Guten und Bösen
Scheint der neueste Spiegel
Genossen zu haben.

Und das Urteil müsse nicht sein:
Vertrieben und blind,
Sondern fragend und wissend
– folge man nur
Den Urschlüsseln des Zugangs:
Recherche und Annahme
Der Frucht:

Moralische Grundmuster
Schon im Gehirn
Vorgefertigt instinkthaft:

Es ist Dir gesagt, Mensch,
Was gut ist
Und was das Menschsein erfordert.

Ist der Ort des Gefühles dafür
Einmal zerstört,
Gelingt auch ein
Anerkanntes Urteil
Nicht mehr.

Ist das nun so?
Genügt uns ein einziges
Interview-Streitgespräch
Schließlich
Zur Annahme
Dieses wohl
Oder Jenes?

Dies ist ein Kommentar zu dem Spiegel-Titelthema „Das Böse im Guten“ vom 30.7.07.
Das Streitgespräch hat der Spiegel zwischen dem Hirnforscher Hans Markowitsch und dem Sozialwissenschaftler Philipp Reemtsma arrangiert.
Über meinen obigen Kommentar hinaus ist mir noch interessant, dass die Recherche des Spiegel sich in einem Punkt mit dem Ergebnis eines psychologischen Kongresses der Telefonseelsorge weltweit in Prato (Toskana) letzten Monat deckt: nämlich dass die Gefühle bei allem Verhalten von Menschen (und auch die Möglichkeit verschüttete positive Gefühle wieder neu zu lernen) eine zur Zeit noch zu sehr unbeachtete Rolle spielen.

Verwirrung – 2. Fassung

Radrennfahrer
positiv getestet.
Politiker
positiv getestet.
Gläubiger
positiv getestet.
Wirtschaftsunternehmen
positiv getestet.
 
Doping.
Korruption
Fundamentalismus.
Umweltverschmutzung.
 
Was ist daran
positiv? 

Neue Spiegel (u.ä.)-Ecke, zweite Folge

Undefinierte Größe

„Hunderte von Zuschauern, darunter auch Familien, verfolgten in der Nacht zum Sonntag die Aktion“, wie der neue Pliensausteg über die Bahngleise in Esslingen gehievt wurde. So berichtet heute die EZ (Esslinger Zeitung) auf der ersten Seite.
Die Definition des Begriffs Familie, bzw. die Recherche-Methode, wie Familien identifiziert wurden, verschweigt die EZ geflissentlich …

Wobei die Frage bleibt, welche Information durch „darunter auch Familien“ überhaupt vermittelt werden sollte.

Neue Spiegel (u.ä.)-Ecke, erste Folge

Hier will ich – ob lyrisch zu nennen oder nicht (siehe meine Ausführungen unter Theorie der Lyrik – möglichst wöchentlich eine Pressenotiz aufs Korn nehmen (oder auch zwei …). Heute aus dem Spiegel vom 16.7.07:

 

Spiegel-Umfrage: Terrorabwehr

 „Innenminister Schäuble fordert immer wieder schärfere Gesetze zur Terrorabwehr. Halten Sie seine Forderungen prinzipiell für richtig, oder gehen sie zu weit?“

richtig: 50%

gehen zu weit 46%

„Schäuble hat in Extremfällen die gezielte Tötung von Terrorverdächtigen ins Gespräch gebracht. Wäre dies eine angemessene Maßnahme des Staates, um seine Bürger zu schützen?“

ja 20%

nein 77%

Spielen für viele Befragten Prinzipien so wenig eine Rolle ”“ oder sprechen die Ergebnisse gegen die Qualität der Spiegel-Umfrage?

 

 

Nonkonformismus 

Fast schon bin ich beglückt,
wenn ich im Spiegel lese:
Das Projekt der Bahn-Privatisierung
stoße in der SPD
auf massive Kritik und „dürfte
den Parteitag Ende Oktober
turbulent werden lassen.“

Die Bahn gehöre,
so die Kritiker,
„zur öffentlichen Daseinsfürsorge,
die nicht auch noch
marktwirtschaftlichen Prinzipien
geopfert werden dürfe.“

Traurig stimmt mich dann
vom selben Artikel
das Zitat eines „Spitzengenossen“:

„Das könnte eine noch größere
Sprengkraft entwickeln
als das Thema

Afghanistan.“

Ist meine SPD
auch bei den NonkonformistInnen
so wenig
militärkritisch
oder bin ich nur
dem Spiegel-Stil
aufgesessen?

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