Lyrisches von Helmut Maier

Schlagwort: Neue Maier-Lyrik (Seite 14 von 165)

Stiller Herbst

Gehn wir hinein,
in den stillen Herbst.
Lasst uns ihn gern genießen!

Er weist schon Richtung Winter,
November heißt sein Namen;
er will mit Regen und mit Dunkelheit
uns Ruhe geben. Amen.

Er will uns Kraft und Muße schenken,
an nichts mehr als an Frieden denken
uns lassen, der die Seele füllt
und ganz erholt die Winterstürme dulden
uns lässt, die uns
aufs Frühjahr wieder zugehn machen.
Ach, dafür danken wir und können lachen!

Herbstabend im November

Hier und da noch Sonnenschein
auf den Dächern des Dorfes.
Auch der Giebel des Pfarrhauses
ist noch von Sonnenschein bedacht.

Der Goldbaum in der Mitte von Aichelberg,
sonnenbestrahlt wirkt er noch goldener.
Blau ist der Himmel noch;
bald ist schon Nacht!

Der Großvater mit seinem Enkel
am Griff des Regenschirms,
noch hat er ihn in der Hand;
als er ihm entschwindet,
hat ihn die Oma geschnappt.
Kurz entschlossen
hält er sich aber an der Jacke der Oma fest.
Nun ziehen sie weiter im Zügle!

Mehrmals wird das Tor zum Kinderspielplatz
geöffnet und Eltern oder Großeltern der Kinder
verlassen den Ort.
Jedesmal wird das Tor geöffnet
und wieder geschlossen.

Da kommt auch schon mein Bus.

Mittlerer Herbst

Am Ortsausgang von Aichelberg,
da stehen sie:
Kugelbäume, spitzzulaufende Bäume,
mächtig ausladende Bäume,
schmale Bäumchen.

Als Kugelbäume: ein Goldbaum,
leuchtend alle Blicke auffangend;
grün-rot noch dastehend
im alten Friedhof einer,
schließlich noch einer: schon braun.

Spitzzulaufend in die Höhe geschossen
zitronengelb aufragend einer,
mächtig ausladende Bäume
hier und dort und einige schmale Bäumchen.

Alle gut angelegt ringsum,
in Gärten, auf dem Feld
und auf dem Friedhof:

Eine leuchtend bunte Sammlung,
vor allem im Herbst!

Austritt

Die großen und die kleinen Kirchen,
die hier im Lande stehen,
die nicht mehr meine Heimat waren
seit vielen Jahren,
oft von historischem Wert,
mit wunderbaren Werken
von großen Künstlern
und von kleinen,
sie sind es jetzt
und schon seit vorgestern
endgültig nicht mehr.

Nun bin ich endgültig
aus meiner Kirche ausgetreten.
Den Schritt, den ich gemacht
habe, ich bin so dankbar für ihn.
Befreit von vielem Merkwürdigen,
von Dogmen, Regeln,
die ich nicht mehr nun
mitschleppe,
von Regelungen,
was ich zu glauben hätte,
von Gängelungen,
die ich doch mitzutragen hätte,
von all dem Schutt,
der über Jahre nicht wirklich
weniger geworden,
dass eben doch
ein Gott und keine Göttin gälte
mit allem, was sich draus ergibt:
ich bin es los!

Die großen und die kleinen Kirchen,
die hier und sonst im Land
noch stehen,
sie kann ich nun
als Historiker
noch sehen und
ihren Sinn begreifen,
den sie bestimmt noch haben,
aber mich ganz mit ihnen
verbunden fühlen zu müssen,
das ist zu Ende.

Jedenfalls bin ich
nicht mehr bereit,
im Falle meines Todes –
auch wenn der nicht unmittelbar
bevorstünde –
mich einer kirchlichen Beerdigung
noch auszusetzen
oder auch nur
einem Besuch
zu rundem Geburtstag
mich ausgesetzt zu wissen
durch einen Pfarrer –
obwohl ich gar nicht weiß,
ob ich ihn noch erlebe –
davon bin ich nun frei.

Antwort*

Der junge Mann mit dem Bärtchen,
der jemand auf dem Handy anrief,
lächelte plötzlich, als der Partner dran war.

*ein Achtundzwanziger

Durchblick

Ach, klasse:
Ich habe wieder den völlig klaren Durchblick:
Beide Augen sind nach dem grauen Star
jetzt operiert:
Ich kann wieder wie vor 20 Jahren
alles vollkommen deutlich sehen!

Die zweite Augenklappe
ist heute Morgen
auch entfernt worden.

Jetzt müsste ich alles klar sehen,
wären da nicht letzte Zweifel
durchaus angebracht.

Na ja, jedenfalls ”¦

Ohne Brille komme ich gut zurecht.
In die Ferne und in die Nähe,
falls etwas nicht gar zu klein geschrieben ist.
Für den Computer reicht’s.

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