Maier-Lyrik

Lyrisches von Helmut Maier

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Von der Mär der Beendigung

Der Widerstreit bunter Blätter
und der Blütenpracht frischen Beginns,
zwischen Lebensfülle
und Erfüllungszeichen
abgeschlossenen Wachstums,
wie hadern doch Gedankensplitter
inneren Wahrnehmens miteinander
im Unentschieden der Sichtweisen.

Wie rasch sind wir geneigt
Wertungen aufzustellen,
diese irreführenden Wegweiser.
Wäre der Herbst keine Jahreszeit,
ließe er uns erzittern
im Angesicht kommenden Frosts
und verzweifeln.

Entmutigung

„Ich bin eben kein Gerechter“.
Auch hier hätte er es sagen müssen,
da er als von den Resten der Drachenbrut spricht
über die Linken
in der Bundestags-Feierstunde
zum Gedenken des Mauerfalls,
hier als reaktionär er sie beschimpft.
Aber er sagte es nicht,

Damals sagte er es, als er zugeben
meinte zu müssen, ungerecht sei es gewesen,
als er von der Jauche sprach,
in die er gekommen sei.
Inzwischen hält er es aus,
privilegiert in der Jauche zu sitzen.

Oh Biermann,
deine Ermutigung,
einmal liebte ich sie.
Nun entmutigt sie mich fast,
nimmt mir die Hoffnung,
besser könnte es werden
und gerechter
in diesem Land,
oh Biermann!

BERICHT BEI „DEUTSCHLANDRADIO KULTUR“ ÜBER DIE SITUATION BEI STUTTGART 21

„Der Bau des unterirdischen Stuttgarter Bahnhofs schreitet voran. Doch die Bürgerproteste gehen weiter. Mittlerweile warnen sogar Befürworter vor ungeahnten Problemen und Gefahren. Die SPD-Basis spricht von vertuschten Rechtswidrigkeiten.

…………….
…………………………
…………………………………….
……………………………………………….“

Zum Nachhören: https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/11/06/drk_20141106_1336_0373a783.mp3

Zum Nachlesen: https://www.deutschlandradiokultur.de/stuttgart-21-hoher-preis-fuer-neuen-bahnhof.1001.de.html?dram:article_id=302396

So ist es

Oh, wie weit entfernt bin ich doch
vom jubelnden Kyriegesang.
Ich glaube an keinen HErrn oder Herrn mehr.

Domine eleison halte ich nicht mehr
für erstrebbare Erleichterung.
Selbst urteile ich über mich.

Jubel ist wirklich angebracht,
wenn ich zufrieden bin mit mir.

Zufriedenheit mit der Gesellschaft
brächte unbeschreiblichen Jubel.

So isch’s heit*

S’war amol an Endagraba
vor d’r Schdadtmauer; doch jetzadle:
s’isch a Boulevard: die Entengrabenstraße.

Ond dui? Kasch’s wohl kaum glauba:
Dui isch a Autorennstrecke.

* a Janka

Einer von ihnen?

Aktiv gegen Stuttgart 21

Ich war einer von ihnen.
Durch die in Plastik gehüllten Paradiesgärten
eilte ich hin und her,
ziellos in den Schwaden des Konsumrauschs verheddert.
Fisch-Nuggets.und Cola Zero
genoss ich.
Genießen?
Das war’s eigentlich nicht.

Einen Wald, in dem ich zur Ruhe hätte kommen können,
hatte ich nicht zur Hand:
Den Termin des Protests
wollte ich nicht versäumen.
Wider alle Erfahrung
glaubte ich immer noch
an die Erfüllung der Hoffnung
„Oben bleiben“.
Also schon ein bisschen mehr
als ein Pflichttermin
war es.

Mehr Zeit bis dahin
hatte ich als üblich.
Ein anderer Termin
hatte mich später ausgespuckt
als ich mir hatte vorstellen können:
ein Strafprozess,
der Kinkerlitzchen aufbauschte
zur Staatssache.

Da irrte ich durch die Stadt,
hoffte auf Blutdrucksenkung.
Nochmal heimzugehen vor der Kundgebung
war nicht mehr drin.

Rechtlosigkeit

Staat machen mit einem Staat,
dessen Justiz überbelastet ist
mit dem Verknacken von Aufbegehrenden?

Wenn die vorausgehenden Fehler der Polizei
„nicht relevant“ sind,
falls die Opfer ein wenig überreagiert haben.

Wenn ein Richter sich als gnädig sieht,
falls er nicht sämtliche Vorwürfe ahndet,
die im Vorgängerprozess erhoben wurden.

Wenn einer „irgendwie dabei war“,
ohne selber gegen Regeln verstoßen zu haben,
weswegen er sich wehrt gegen ungerechtfertigte Polizeimaßnahmen.

Auch freundliches Verknacken
verhilft dem Angeklagten nicht,
dem Vorbestraftsein zu entkommen.

Aber wer zu den Mächtigen zählt,
dem kommt die Staatsanwaltschaft
gerne entgegen.

Was hilft da misstrauisch sein,
wenn’s um totale Ohnmacht sich handelt?

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