Lyrisches von Helmut Maier

Kleine Reimkunde I

fürs Verstehen Schriftdeutsch sprechender Schwaben

Im Schwabenland, da reimt sich zwei
Nicht wirklich rein auch auf die Drei [dreii].
Es reimt sich aber auf den Mai.
Doch reimt´s gewiss sich nicht auf frei. [freii]

Sprach Oma* schriftdeutsch, war die Freude [fraide]
ein Reimwort auch für alle beide:
für „tu mir bitte nichts zu Leide“
und auch fürs schöne Sommerkleide.

Egal wie ausgesprochen: Freude, [fraide ”“ oder: froide]
es reimte sich noch nie auf Leute. [leiide ”“ oder: loiite]
Auch was ich gar nicht gerne leide [leiide],
das reimt sich nicht auf alle beide.

Was gibt´s denn da für ein Gejaule […jauule]
(das reimt sich nämlich auch auf Faule!)?
Doch spricht ein Schwabe von sei´m Fraule, [fraole]
Hat´s die Verkleinerungsform ja, genau: le.

So reimt sich eben grau und blau,
das wissen alle ganz genau.
Doch reimt sich das nicht auch auf schlau; [schlauu]
ein Reim d e r Sorte wäre rau. [rauu]

*wahrscheinlich noch genau so wie Schiller zu seiner Zeit

16 Kommentare

  1. Petros

    Schön!
    -es Wochenende
    Petros

  2. Helmut

    Danke, lieber Petros. Ich wünsche Dir auch ein schönes Wochenende.

    Liebe Grüße
    Helmut

  3. Anna-Lena

    Das hast du aber schön geschrieben.
    Wenn ich auch die Schwaben nicht immer verstehe,
    das jedenfalls habe ich verstanden.
    Das Spiel mit Worten und Reimen ist herrlich.
    Hab ein schönes Wochenende, lieber Helmut.
    Liebe Grüße
    Anna-Lena

  4. Helmut

    „das jedenfalls habe ich verstanden“

    Das war ja das Ziel des Textes. Schön, wenn es geklappt hat.

    Vielen Dank und liebe Grüße, liebe Anna-Lena,
    von Helmut

  5. syntaxia

    Wenn ich deine Zeilen lese, weiß ich, dass ich noch viel zu lernen habe, lieber Helmut!

    Und immer wieder falle ich herein.
    Die Endungen sind nicht so einfach.
    „Auslautverhärtung“ ist sicher ein Fremdwort für meinen schwäbisch sprechenden Patienten.
    Wie kann ich nur erwarten, dass er [walt] sagt, wenn da doch WALD steht und er es doch [wald∂]spricht.. 😉

    Ein schönes Wochenende!
    ..wünscht dir Monika

  6. Helmut

    Liebe Monika,

    Wenn wir Schwaben heute meinen, mundartfrei sprechen zu sollen, können wir uns nicht auf eine gesprochene Sprache beziehen, sondern halten uns so weit wie möglich an die Schrift. Deshalb lesen wir ein D, wenn da ein D geschrieben ist. Zu der Zeit meiner Großmutter war man da noch eher an ein Predigt-Deutsch gewöhnt, an dem man sich orientieren konnte, das aber nicht in Konkurrenz stand mit dem Hochdeutsch anderer Landschaften. Dafür sagte man aber [fraide] für Freude.

    Ich bin auch überzeugt, dass „Wald“ ‚richtig‘ ausgesprochen wurde und immer noch wird, wenn dabei kein Schriftbild präsent ist, sondern die Sache an sich.

    Danke für Deine Ausweitung des Themas
    und liebe Grüße
    Helmut

  7. Quer

    Oh ja, es reimt und reimt sich nicht,
    ganz je nachdem, wie Eine/r spricht.

    Schön, dein sprachlicher Exkurs, Helmut.

    Grüsse ins Wochenende,
    Brigitte

  8. Helmut

    Es war mir eine Freude [fraide], zu den Grundlagen der Erforschung der Schillerschen Mundart beizutragen 😉 .

    Dankeschön und liebe Grüße, Brigitte,
    von Helmut

  9. Anonymous

    Oh, was hätte ich ihn gerne sitzen oder stehen sehen, den Herrn Schiller. Ich hätte ihn beobachtet
    beim Denken
    und beim Lenken
    der Worte Geschick.

    Seine Reime war’n nicht schlau,
    (viel zu klug und auch sehr weise)
    und sie waren niemals rau.
    Der Himmel war auch schon
    bei Schiller blau
    und manchmal schlimmer,

    nämlich matt und duster,
    einfach so wie heute
    mausegrau

  10. Helmut

    „Seine Reime ….
    ….waren niemals rau“
    Na ja, siehe den nächsten Beitrag auf dem Blog. Allerdings: für Schiller waren sie das vielleicht doch nicht 🙂

    Liebe Grüße an Unbekannt.
    Helmut

  11. bruni kantz

    Jetzt weiß ich, wie er so schnell weg war, mein Kommentar! Ha, ha, lieber Helmut, ich war die Anonyme, die versehentlich in die Anonymität gelangte.
    Rau versteh ich als schlecht, vulgär, nicht gut genug. Er gebraucht RAU dort, wo Rauhes angebracht ist, wo Rohes an einer Stelle sitzt, an die es gehört. Und schlau wäre für Schiller ein unpassendes Wort. Hat er auch richtig heftig und deftig geschrieben? Ich finde in den vielen,vielen Worten, die er unendlich fleißig und voller Intellekt aneinander reiht, seine Freude am eigenen Wissen, das ihn hinreißt, immer weiter zu schreiben, immer wieder einen neuen guten Gedanken hinzuzufügen aus dem übervollen Kopf, der auch im Schlafe unentwegt noch produziert. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Ich kenne von ihm gar nicht so viel, wenn ich es mir recht überlege …
    Die „Schillers“ der neueren Zeit sind mir eigentlich lieber. Es sind so viele gute vorhanden und die Worte, die um mich herumtanzen, sind voller Übermut.

  12. Helmut

    „Jetzt riss Ulyss mit lärmendem Geschrei
    Den Seher Kalchas in des Heeres Mitte,
    Und dringt in ihn mit ungestümer Bitte,
    Zu sagen, wessen Haupt zum Tod bezeichnet sei?
    Schon ließen Viele mich, mit ahnungsvollem Grauen,
    Des Schalks verruchten Plan und mein Verderben schauen.
    Zehn Tage schließt der Priester schlau sich ein,
    Um keinen aus dem Volk dem Untergang zu weihn.“
    ( https://www.wissen-im-netz.info/literatur/schiller/gedichte/03.htm )

    Liebe Bruni, schön, wenn Du im Schillerjahr den Dichter in Schutz nehmen willst. Ich will ihm auch nichts Böses. Aber was ist, das ist.

    Liebe Grüße an die „Enttarnte“ 😉
    von Helmut

  13. bruni kantz

    Es liegt mir ferne, ihn in Schutz nehmen zu wollen, lieber Helmut. Nur erkenne ich in den jetzt von Dir zitierten Zeilen wieder die gewaltige Kraft der Worte, die Leidenschaft, die ihn zu diesen Ergüssen treibt. Er war ein Süchtiger, die Worte waren seine Droge.
    Hatte er sonst noch ein Laster? Bei Goethe waren es die Frauen …☺

  14. Helmut

    Ein „Laster“ war wohl, dass Schiller seine Dramentexte mit schwäbischem Akzent zu deklamieren liebte. Der Fiesco wäre deshalb beinahe ein Fiasko geworden. Siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Verschw%C3%B6rung_des_Fiesco_zu_Genua

    Liebe Grüße
    Helmut

  15. bruni kantz

    Ist ja komisch. Wieso trug er so falsch vor? Es kann nicht nur der schwäbische Akzent gewesen sein. War es eine Art von Arroganz, die ihn vor dem Publikum schützen sollte, das er ganz und gar nicht einschätzen konnte und vor dem er vielleicht auch ein wenig Angst hatte? War er eigentlich scheu und hölzern?
    Brachen bei ihm nur beim Schreiben die Dämme? War er ein total introvertierter Mensch, der sich nur beim Schreiben so öffnen konnte, daß er ECHT wurde?

  16. Helmut

    Eine gute Aufgabe, das mal zu recherchieren – eine Aufgabe für Dich, liebe Bruni? 😉

    Liebe Grüße
    Helmut

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