Lyrisches von Helmut Maier

Vorläufiges, auf Dauer angelegtes politisches Testament

Und wenn ich nichts bewirke,
so hab ich doch bewirkt,
dass in der Fremde ich
zu Hause mich ganz fühle
und wohl verstehe, dass
die Heimat Heimat nie gewesen,
dass ich trotz Bindung an
die Gegend, wo ich aufgewachsen
und wo ich noch verweile,
zu Hause immer war auf Zeit
(wie auch das Leben endlich
und nicht auf Dauer angelegt).

Migrantenschicksal ist es schon,
wenn ich im Elternhaus nicht weiter wohne.
Und Heimat sei es für die vielen Immigranten,
wo ich zu Haus‘ mich fühl‘ und in der Fremde.
Und meine Kinder weiß ich in der Ferne,
wo sie zu Hause sind und fremd.

Patriarchal sind Ahnenreihen,
die stets an einen Ort sich binden.
Ahnen zu wissen doch
von Vater- und auch Mutterseite,
ob ganz von nah, ob ganz von fern,
ist eine Art Verwurzelung,
die nicht an eine einz’ge Scholle,
so fruchtbar sie auch sei,
verwiesen ist und ihr verbunden.
Welch Vielerlei an Tradition,
Kultur und Lebensart
sich ja mit ihnen allen
verknüpft, die mir vorausgegangen,
was überliefert oder ganz vergessen.
Und ganz unwichtig ist,
was materiell sie einst besessen.
Sie sind in mir. Wenn ich das weiß,
kann ich erst ganz genesen.

Was ich behielt und was ich noch behalte
an Überzeugung dessen, was ja wohl
nicht an Besitz und Geltung ist gebunden,
sondern aus der Erfahrung stammt,
wie dieses Leben mit mir ist verfahren,
wie ich’s durchlebt in Kriegs- und Friedenszeiten,
im Wohlgefühl und in den Kämpfen,
das macht mich aus und nicht
die Zugehörigkeit zu solchen,
die zufällig meine Sprache sprechen
und zugehören wie ich selbst
zu einem zufällig entstandnen Staat
und Volk.

Ach, Bürgerrecht, als Privileg vergeben,
es ist nichts wert, die Menschenrechte sind’s,
auf die auch Minderheiten zu Recht
zu pochen lernen, wenn sie sich versammeln.
Ach, würden Eingewanderte von nah und fern
nie Mehrheit werden in dem Sinn,
dass Minderheiten sie nicht achten,
so wie’s die Eingesessnen meinen zu dürfen.
Die Menschenrechte leben hoch!

5 Kommentare

  1. Petros

    Ein monumentales Werk. Klasse!
    Gruß
    Petros

  2. Helmut

    Danke, lieber Petros. Manches Mal überschwemmen mich die Worte!

    Herzlich
    Helmut

  3. syntaxia

    Deine Überschwemmung stimmt mich nachdenklich!
    Etwas traurig dein: „Wenn ich nichts bewirke..“

    Helmut, du bewirkst ganz sicher mehr als dir bewusst ist!!

    Respektvolle Grüße
    Monika

  4. Helmut

    Das ist die Mischung, die ich versuche Euch zuzumuten: Erheiterung und Nachdenklichmachen, liebe Monika. Dass ich damit wenig erreiche, scheint außer Zweifel zu stehen. Trotzdem fühle ich mich wohl dabei und zu Hause.

    Liebe Grüße
    Helmut

  5. Moni

    Ganz viele von deinen Worten sagen mir ganz viel,
    Helmut, und zumindest erreichst du (nicht nur bei mir) das Nachdenken darüber.

    Einen schönen Sonntagnachmittag!
    Moni

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