Ich habe mich im Folgenden auf einen Versuch einer Analyse der gegenwärtigen Syrienpolitik der USA und Russlands eingelassen. Ich bin gespannt auf Eure Meinung – und auf den weiteren Verlauf der Geschichte:
Der 63-jährige Sergei Wiktorowitsch Lawrow hat in Genf wohl etwas Außergewöhnliches erreicht: er hat eine Vereinbarung mit dem amerikanischen Außenminister, dem noch 69-jährigen John Kerry getroffen, die niemand oder nur eine sehr kleine Zahl von Menschen erwartet hatte: Die USA stimmen zumindest dem Zwischenziel zu, das der russische Außenminister, eben jener Sergei Wiktorowitsch Lawrow, vertrat: nämlich die Bereitschaft der USA, im UN-Sicherheitsrat einer Resolution zuzustimmen, in der keine direkte Androhung von Gewalt gegen das Regime in Damaskus vorkommt.
Ob das als Durchbruch im diplomatischen Tauziehen um den weiteren gemeinsamen Weg der USA und Russlands in der Syrienpolitik zu werten ist, kann zur Zeit nur vermutet, aber vielleicht nicht mit Unrecht gehofft werden. Sollte es das wirklich sein, stellt sich die Frage, ob das der Erfolg des einen oder des anderen Außenministers ist. Obama jedenfalls hatte sich so tief in sein Diktum von der roten Linie, die mit dem Giftgaseinsatz in Syrien überschritten sei, verheddert, dass kaum anzunehmen ist, dass er sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf herauszuziehen in der Lage war. Und Putin ist bestimmt nicht der lupenreine Anwärter auf einen Friedensnobelpreis, als der er möglicherweise am liebsten gesehen werden will. Von Assad wollen wir hier ganz schweigen, obwohl man auch ohne ihn nicht weiterkommt.
Sind es also doch die zwei Außenminister, die sich um die Aufzeigung eines Wegs aus der Misere verdient gemacht haben? Ist es der eine oder der andere vorwiegend? Oder haben sich da zwei getroffen, die in all ihrer Zweideutigkeit in Sachen Frieden doch Geschichte des Friedens zu schreiben in der Lage sein könnten? Immerhin haben beide ein besonderes Verhältnis zu der Rolle der Vereinten Nationen in einer Zeit, die nicht mehr auf die Priorität des Militärischen um jeden Preis setzen mag. Kerry verurteilte am 22. April 1971 bei einer Kongressanhörung über die Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte in Nordvietnam die im Vietnamkrieg durch das US-Militär begangene „Verletzung der Regeln der Genfer Konvention, wie z.B. durch die Verletzung von kampffreien Zonen, indem wir Störfeuer legten, durch Vernichtungsmissionen, Bombardierungen, Folterungen von Gefangenen, das Töten von Gefangenen – gängige Praxis vieler Einheiten in Süd-Vietnam“. Nach dem syrischen Giftgaseinsatz war Kerry allerdings nicht nur davon überzeugt, dass Präsident Bashar al-Assad schuld sei, sondern forderte auch eine Militärintervention.
Brauchte Kerry den russischen Kollegen und dessen hartnäckige Verhandlungsführung, um sich zu erinnern, dass er doch eigentlich auf Grund seiner eigenen Kriegserlebnisse Kriegsgegner geworden war? Immerhin war Lawrow längere Zeit in der Delegation der ständigen Vertretung der Sowjetunion bei den Vereinten Nationen in New York tätig und nach seiner Rückkehr zur UN als ständiger Repräsentant Russlands dort 1994 wurden seine Äußerungen – insbesondere vor dem Sicherheitsrat – stets mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Er könnte dort die Notwendigkeit gelernt haben, in der internationalen Politik nicht oder wenigstens nicht nur auf militärische Stärke zu setzen und der Vision einer neuen Verständigungspolitik eine Chance geben zu müssen. Auf dieser ähnlichen Wellenlänge könnten sich die zwei Diplomaten begegnet sein.
Deine Hoffnung auf Freiden möchte ich gern teilen, lieber Helmut.
Vielleicht haben doch einige gelernt, dass Kriege keine Lösungen sind, sondern dass ein zähes Verhandlungsgeschick eher zum Erfolg führt.
Unsinnige Kriege, unsinniges Blutvergießen hatten wir mehr als genug in der Geschichte.
Dass Obama sich verrannt hat, steht auch für mich außer Frage und ich denke, ihm ist bewusst, dass ihn ein militärischer Schlag gegen Syrien Kopf und Kragen kosten könnte.
Regierende Querulanten kann man auch auf andere Weise liquidieren (zumal man ja in der Lage ist, alles und jeden auszuspähen), doch das scheint ja eher die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen untereinander zu stören, da greift man eher zu Kriegseinsätzen, die das ohnehin schon leidende Volk noch mehr in den Abgrund ziehen.
Es ist ein Elend auf der politischen Weltbühne.
Oh, habe ich etwa diese pessimistische Sicht herbeigeführt, liebe Anna-Lena?
Herzlich
Helmut
Nein, lieber Helmut, das hast du nicht, das ist eher mein eigener Senf zu der aktuellen Lage um uns herum. Ich bin da wohl eher die Pessimistin und Zweiflerin 🙂 .
Liebe Sonntagsgrüße
Anna-Lena
Ich stehe da auch lieber auf der Seite der hoffenden Optimisten. Warum soll es denn nicht möglich sein, dass zwei Politiker sich auf der Ebene der Vernunft (eben von der Theorie der Kriegsführung weg zur Realisierung dessen, was Krieg praktisch bedeutet und dass man ihn verhindern muss) treffen? Vielleicht ist es sogar so, dass Obama selber genauso auf Lawrows hartnäckige Verhandlungsstrategie eingegangen wäre und insgeheim erleichtert ist über Russlands Vorschlag… Ich finde nicht, dass Obama Gesicht verloren hat, weil er (sofort) darauf eingegangen ist – im Gegenteil.
Viele Gedanken…
Moni
Ich freue mich über so dezidiertes Nach-Denken, liebe Moni.
Herzlich
Helmut
hm, ja, da könnten sie sich begegnet sein, die beiden,
bei der Vision einer neuen Verständigungspolitik.
Es kann aber auch sein, daß ein Krieg nun aus wirtlichen Gründen für die USA nicht mehr unbedingt notwendig ist, weil sich der dringend zu erwirtschaftende Gewinn dabei an anderer Stelle hereinholen läßt…
Wir dürfen nur die Saubermänner sehen, die aus der Vision einer neuen Verständigungspolitik heraus in der Lage waren, einen Krieg zu verhindern, einen ach so guten, einen friedliebenden Eindruck zu machen…
Ich bleibe da lieber bei der Hoffnung, liebe Bruni!
Herzlich
Helmut
ja, das ist auch besser, lieber Helmut, mann/frau kommt dann viel besser klar, aber mir drängen sich solche Gedanken in letzter Zeit immer häufiger auf…
Liebe Grüße zu Dir